Pressespiegel
Oktober
17.10.2008 Friedlicher Anfang
17.10.2008 Islamische Organisationen loben Moschee-Bau
17.10.2008
Moscheen sollen nicht mit Größe auftrumpfen
17.10.2008 Die Moschee zwischen den Plattenbauten
17.10.2008 Heinersdorf hat endlich seine Moschee
17.10.2008
CDU-Politiker führt Kritiker des Islam an
17.10.2008 "Moschee steht für religiöse Vielfalt"
17.10.2008
Wowereit: Moschee steht für Toleranz
17.10.2008 Friedliche Proteste bei Moschee-Einweihung
16.10.2008
Schrein des Anstoßes
16.10.2008 Glaubenskrieg um Berliner Moschee
16.10.2008 Allah im Internet
16.10.2008
Wowereit beglückwünscht Ahmadiyya Gemeinde zur neuen Moschee
16.10.2008
Wohlfühldiktatur ohne Mischlinge
16.10.2008
Schlaflose Nächte vor Moschee-Eröffnung
16.10.2008
Gratulation! Zur Moschee in Berlin-Heinersdorf
15.10.2008
Minarett im DDR-Refugium
15.10.2008
Innensenator Körting will mehr Moscheen in Berlin
15.10.2008
Neue ostdeutsche Moschee eröffnet
15.10.2008
MOSCHEE-EINWEIHUNG MIT DEMO-TRIO
15.10.2008 Finale in Heinersdorf
15.10.2008 Islam-Gegner formieren sich
14.10.2008
NPD sagt Aufmarsch gegen Moschee ab
14.10.2008 CDU steigt aus Anti-Moschee-Bündnis aus
14.10.2008
Spannung vor Moschee-Eröffnung in Heinersdorf
13.10.2008
Gebete unter Polizeischutz
13.10.2008 „Kommen Sie doch mal zum Abendessen“
13.10.2008 Moschee-Eröffnung: NPD will demonstrieren
12.10.2008 "Heinersdorf öffne dich" - Eine Initiative will ihren Bezirk verändern
06.10.2008 Umstrittene Moschee öffnet am 16. Oktober
04.10.2008 Zwischen Vorzeigemuslimen und Geheimsekte
04.10.2008 Tag der offenen Worte
Der Tagesspiegel 30.11.2008
Tag der offenen Moschee: Kommen, um zu streiten
Die Moschee ist fertig, aber der Konflikt bleibt: Die Ahmadiyya-Gemeinde lud in ihr neues Gotteshaus in Pankow-Heinersdorf. Manche kamen, um zu sehen. Andere, um dem Imam eine Fülle von Fragen zu stellen.
Sie sind in die Moschee gekommen, um zu streiten. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb) ist am Sonnabend der Einladung von Imam Abdul Basit Tariq gefolgt, am Tag der offenen Tür das vor wenigen Wochen eröffnete Gotteshaus der Ahmadiyya-Gemeinde in Heinersdorf von innen zu besichtigen. Die Ipahb-Leute lassen sich vom Imam durch die Gebetsräume führen, um kritische Fragen zu stellen. Sie wollen zum Beispiel wissen, warum Mubashra Illyas nicht als Architektin auf dem Schild vor dem Gebäude steht. Von der jungen Frau stammten zwar die Entwürfe, erklären Gemeindemitglieder. Sie sei aber während der Bauzeit noch nicht als Architektin eingetragen gewesen. Die Ipahb-Leute glauben dennoch, die Ahmadiyya habe Illyas der Öffentlichkeit nur präsentiert, um ein aufgeklärtes Frauenbild vorzutäuschen. Die Moschee ist fertig gebaut, aber der Konflikt bleibt. 82 Mitglieder habe seine Initiative mittlerweile, sagt der Ipahb-Vorsitzende Joachim Swietlik – das seien mehr denn je. Die Atmosphäre sei aber dennoch nicht vergiftet. „Gute Nachbarn respektieren sich, auch wenn sie sich kontrovers miteinander auseinandersetzen“, sagt Swietlik. Und das tun sie. Die Initiative fordert Antworten auf eine ganze Fülle von Fragen, die die Ahmadiyya-Gemeinde immer noch nicht beantwortet habe. Zum Beispiel, wie sie Heiden und Juden gegenüberstehe. Imam Tariq verspricht, sie bald schriftlich zu beantworten und die Antworten zu veröffentlichen. Bevor der Imam seine Gegner in die Moschee bittet, nimmt er noch deren Gegeneinladung zu einem Streitgespräch im Januar an. Die Reibereien haben Dutzende Berliner nach Heinersdorf gelockt, die sich selbst ein Bild machen wollen. Sie finde die Einstellungen der Ahmadiyya gut, sagt Marion Gensch aus Friedrichshain: „In dieser Gemeinde bleibt niemand alleine stehen – in unserer Gesellschaft leider schon.“ Eine Besucherin aus Pankow ist ganz begeistert, nachdem eine Studentin aus der Gemeinde ihr den Gebetsraum für die Frauen direkt unter der Kuppel gezeigt hat. „Ich habe gelernt, dass die Ahmaddiya jede Form von Zwangsheirat ablehnen“, sagt sie. Jürgen Kadler aus Wedding lobt die zurückhaltende Architektur des Baus mit zwölf Meter hohem Minarett: „Das ist kein Herrschaftssymbol – anders als andere Moscheen.“ Außerdem sei für ihn als 1949 geborenen Westberliner Freiheit das höchste Gut, für die er auch im Namen friedlicher Mitmenschen der Ahmadiyya-Gemeinde eintreten wolle. Jürgen Kadler ist gekommen, um sich mit der Ipahb zu streiten. Werner Kurzlechner Auch am heutigen Sonntag ist die Khadija-Moschee, Tiniusstraße 5, von 10 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet.
Berliner Zeitung, 17.10.2008
Friedlicher Anfang
Heinersdorfer Moschee wurde ohne Zwischenfälle eingeweiht. Rechte nahmen an Gegendemo teil
Stefan Strauss
Ohne Zwischenfälle und Störungen konnten die Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Gemeinde gestern Abend ihre neu gebaute Moschee im Pankower Ortsteil Heinersdorf eröffnen. Es ist die erste Moschee in Ostdeutschland. Mehr als 500 Polizisten waren im Einsatz, weil Anwohner gegen den Bau der Moschee protestierten. "Alles blieb friedlich", sagte eine Polizeisprecherin.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) besichtigte gemeinsam mit dem aus London angereisten weltweiten Oberhaupt der Ahmadiyya Gemeinde, Kalif Hazrat Mirza Masroor, und dem Imam der Berliner Gemeinde, Abdul Basit Tariq, das neue Wohn- und Gästehaus neben der Moschee. Später sagte Thierse vor den etwa 300 geladenen Gästen im Gebetsraum unter der Kuppel: "Die eigene Religions- und Meinungsfreiheit verteidigt man nur, wenn man die Meinungs- und Religionsfreiheit der Anderen verteidigt - hier in Pankow-Heinersdorf, in Berlin, in Deutschland, aber auch im islamisch geprägten Teil der Welt."
Die Gäste, darunter Bundestags- und Kommunalpolitiker, saßen in den beiden Gebetsräumen an festlich gedeckten Tischen. "Streite nicht, streite nicht, Schönheit kommt durch Selbstverzicht", sang ein Chor junger muslimischer Mädchen. Heidi Knake-Werner, Senatorin für Integration (Linke), beglückwünschte die Gemeinde im Namen des Senats für ihre neue Moschee. "Das ist der Abschluss einer hitzigen und entwürdigenden Debatte, ob dieses Haus überhaupt gebaut werden kann." Die Gemeinde habe nun einen "würdigen und sicheren Ort, ihre Religion auszuüben", sagte die Senatorin. Von Beginn an, seit dem Jahr 2006, gab es Proteste gegen den Bau, weil Anwohner eine "Islamisierung ihres Ortsteils" befürchteten. Der Vorsitzende der Ahmadiyya Gemeinde in Deutschland, Abdullah Uwe Wagishauser, betonte erneut die "absolute Friedfertigkeit der Ahmadiyyya Gemeinde", die "weit weg von Fanatismus und Gewalt" sei.
Hundert Meter weiter hatten sich zu diesem Zeitpunkt etwa hundert Gegner des Moscheebaus zu einer Kundgebung versammelt. Etwa 500 waren erwartet worden. "Stoppt die Islamisierung Europas!", stand auf Transparenten. "Das ist die Religion des Todes!", rief ein älterer Herr aufgebracht. "Berlin wird islamisch, das ist das Ziel der Gemeinde." Der CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, der die Proteste der Anwohner unterstützt, sagte: "Die Politik macht sich nicht die Mühe, die Ansichten der Ahmadiyya Gemeinde kritisch zu hinterfragen." Er wisse aber, dass die Gemeinde in Deutschland eine islamische Gesellschaft nach Scharia-Recht anstrebe. An der Kundgebung der Moscheegegner beteiligten sich auch etwa 20 Jugendliche, die "eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen sind", sagte ein Polizeisprecher. Die Initiative hatte es zuvor abgelehnt, mit den Rechten zu demonstrieren.
Am Garbatyplatz in Pankow demonstrierten etwa 50 Antifas für ein "interkulturelles Pankow", in Heinersdorf knüpften etwa 50 Bewohner ein "buntes Band für Vielfalt und Toleranz" auf der Straße.
Heute wird der Kalif aus London vor etwa 500 Gläubigen der Gemeinde das erste Freitagsgebet in der neuen Khadija-Moschee sprechen, die den Namen der Ehefrau des Propheten Mohammed trägt.
Weltgemeinde
Gründung: Die Wurzeln der islamischen Strömung liegen in Indien. Dort lebte Mirza Ghulam Ahmad (1835-1908), der den Muslimen der Ahmadiyya-Gemeinde als vom Propheten Mohammed angekündigter Messias gilt.
Mitglieder: Heute leben mehrere Millionen Mitglieder in 180 Ländern. In Deutschland sind es etwa 30 000, die Berliner Gemeinde hat 206 Mitglieder.
Moschee: Im Gebetshaus in der Tiniusstraße gibt es getrennte Räume für Männer und Frauen, einen Kinderraum, Büros, Waschräume. Der Bau hat 1,6 Millionen Euro gekostet, das Geld haben die Frauen gesammelt.
Berliner Morgenpost, 17.10.2008
Islamische Organisationen loben Moschee-Bau
Einen Tag nach der Eröffnung der Moschee im Pankower Stadtteil Heinersdorf haben Vertreter islamischer Organisationen ihre Befriedigung über den Verlauf der Eröffnungsfeierlichkeiten bekundet. Auch der Bau von Kirchen in islamischen Länder sollte "frei von Kontroversen sein".
Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) hat die Eröffnung einer Moschee im Ostteil Berlins als „wichtigen Schritt zur Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaft“ gelobt. „Ich bin natürlich glücklich über die Eröffnung, weil sie zeigt, dass die lauten Stimmen gegen alles Islamische nicht repräsentativ sind für die Deutschen“, sagte OIC- Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu am Freitag am Rande einer Konferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana der Deutschen Presse- Agentur dpa. Er könne nicht verstehen, dass sich Menschen von einem Gotteshaus bedroht fühlen könnten. „Das ist Teil einer falschen Wahrnehmung des Islam“, sagte Ihsanoglu.
Im Ostteil Berlins war am Donnerstagabend der erste repräsentative Neubau einer Moschee auf dem Boden der früheren DDR eröffnet worden. In der Nachbarschaft hatten Gegner des Baus zeitgleich gegen eine „Islamisierung“ des Stadtteils demonstriert.
Vor der politischen Wende sei einer solcher Bau in der damaligen DDR kaum denkbar gewesen, sagte Ihsanoglu. „Aber in einem freien Deutschland sollte es doch kein Problem sein.“ Umgekehrt sollte auch der Bau von Kirchen in islamischen Staaten frei von Kontroversen sein, plädierte der OIC-Generalsekretär. „Wenn man in diesen Ländern mehr Kirchen braucht, wird es dort mehr geben. Wer sagt, dass in islamischen Ländern keine Kirchen existieren? Ich war vor kurzem in (der türkischen Stadt) Antalya, und dort stehen viele Kirchen.“
Die neue Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett im Bezirk Pankow gehört der Ahmadiyya Muslim Gemeinde. Die Gemeinschaft hatte die Eröffnung des Gotteshauses durch ihren aus London angereisten Kalifen am Donnerstagabend weltweit live über ihr Internet-Fernsehen übertragen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte bei dem Festakt für eine Kultur des wechselseitigen Respekts und der Toleranz geworben.
Kalif Hazrat Mirza Masroor hielt am Freitag auch den ersten Hauptgottesdienst, das Freitagsgebet, für rund 500 Gläubige in dem neuen Komplex. Als Kalifen bezeichnet die Gemeinschaft ihr spirituelles Oberhaupt, das sie in der Nachfolge des Propheten Mohammed sieht. Die 1889 in Indien gegründete Ahmadiyya-Gemeinschaft versteht sich als Reformgemeinschaft und wird in der islamischen Welt teilweise heftig angefeindet. Ihre Berliner Gemeinde hat für den November Tage der offenen Tür in ihrer neuen Moschee angekündigt. Sie sollen der Vertrauensbildung in der Nachbarschaft dienen, wo es lange Zeit Widerstand gegen den Neubau gegeben hatte.
Welt online, 17.10.2008
Moscheen sollen nicht mit Größe auftrumpfen
Von Thomas Schmid 16. Oktober 2008, 20:33 Uhr
Im Berliner Bezirk Pankow ist die erste Moschee in Ostdeutschland eröffnet worden. Es gab Proteste gegen das Bauwerk und zuvor einen langen Streit. Einige Kritik an den muslimischen Neubauten ist berechtigt. Und das wache Bürgerbewusstsein darf man nicht als rechtslastig abtun.
Über jeden größeren Moschee-Bau in Deutschland entbrennt ein Streit, Freunde und Gegner des Neubaus geraten aneinander. Das ist gut so. Gewiss, es trägt dazu bei, den Vorgang zu skandalisieren, jede Moschee umweht – so oder so – ein kulturkämpferischer Geruch.
Das soll doch bitte nicht sein, sagen jene Liebhaber der Integration von Muslimen, die jede hinzukommende Moschee per se als friedensstiftendes Angebot sehen. Rundum anerkannte Muslime, hoffen sie, werden integrierte Muslime sein, welche die Regeln des freiheitlichen Rechtsstaats akzeptieren.
Doch so einfach ist es nicht. Die Politik des Vertrauensvorschusses hat eine wichtige Schwachstelle. Sie muss bei den Muslimen einen Wunsch zur Friedfertigkeit voraussetzen, der gewiss nicht immer vorhanden ist. Warum sonst schmiegen sich etliche Moschee-Neubauten nicht bescheiden in die jeweiligen städtischen Milieus ein? Warum kommen sie so oft so triumphierend, so überbietend daher? Tatsächlich stellen sie mitunter eine Machtdemonstration dar, die man nicht mit dem Selbstbehauptungswillen von Zurückgesetzten rechtfertigend hinnehmen sollte.
Wenn Muslime in Deutschland bei dem Bemühen, ihrem Glauben Monumente zu setzen, kritisch beäugt werden, ist das kein Zeichen von Intoleranz, sondern von wachem Bürgerbewusstsein. Es wäre ganz falsch, den Friedfertigkeitstest denen zu überlassen, die vom Hass auf den Islam getrieben sind.
Gerade Christen wissen aus der Geschichte ihrer Religion, wie schnell Gläubigkeit in mörderischen Fanatismus münden kann. Aus der aufgeklärten christlichen Tradition kommend, nehmen wir so etwas wie eine aus historischer Belehrung kommende Bürgerpflicht wahr, wenn wir auf die Republikverträglichkeit des hiesigen Islam achten. In Pankow und anderswo.
Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2008
Die Moschee zwischen den Plattenbauten
Wirbel um das erste Gotteshaus der Ahmadiyya in der früheren DDR
In Berlin-Pankow ist am Montag im Beisein politischer Prominenz die erste Moschee auf ostdeutschem Gebiet eröffnet worden. Während das Gotteshaus der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft von allen grossen Parteien begrüsst wird, hat sich auch Widerstand organisiert.
U. Sd. Pankow, 15. Oktober
Polizeiautos, Blinklichter und Absperrungen an der Tiniusstrasse im Berliner Stadtteil Pankow: Hier, in dieser öden Vorstadtgegend, umgeben von Tankstellen, Schnellstrassen und Plattenbauten, wird an diesem Donnerstagabend die Chadidscha-Moschee eröffnet, und da es um sie in den letzten Jahren etwelches Gezerre gegeben hat, gehen die Ordnungshüter auf Nummer sicher. Dass die Moschee der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft das erste muslimische Gotteshaus auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ist, hat vielleicht etwas vorschnell Befürchtungen geweckt. Werden die Menschen in einem Land, in dem bis heute hohe Arbeitslosigkeit herrscht und die Fremdenhasser der Rechtsaussenparteien oft gut ankommen, die Muslime tolerieren?
Wortkarger Vorbehalt
Durchaus, wie es scheint, doch gewiss nicht ohne Vorbehalte. Ein Ehepaar aus Lichterfelde ist extra hergereist, um sich das «riesige» Gotteshaus anzuschauen, und ihre im Stakkato abgefeuerten Fragen – «Wer hat ihnen das bezahlt? Befürworten sie nicht Zwangsehe und Polygamie? Muss man sich das gefallen lassen?» – sind eigentlich Antworten. Eine Frau Mitte vierzig, die «hier in der Gegend» wohnt, rühmt die «friedliebende, ruhige» Art der rund 250 Gläubigen, von denen im Übrigen viele ausgesprochen schön seien, «mit ihrer hellbraunen Haut und den interessanten Hüten und so». Sie lacht verlegen.
Auffällig, dass alle der angesprochenen Deutschen anonym bleiben wollen. Manan und Wadood Haq sind da offener. Bessere, eloquentere Werber für ihre Sache kann sich die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft nicht wünschen. Die Brüder Haq – beide promovieren derzeit – leben seit über 20 Jahren in Berlin, sprechen fliessend Deutsch und reagieren auf die einschlägige Kritik offen, dezidiert und gelassen. Nein, sagen sie, die Ahmadiyya lehnten die Zwangsehe eindeutig ab. Im Glauben gebe es keinen Zwang, das sage schon der Koran, und im Übrigen pflege man ein offenes Haus, lade alle Kritiker ein, sich die Moschee anzusehen, und sei überzeugt, dass sich die Animositäten im Laufe der Zeit legen würden – genau so, wie sie sich um die über 20 Ahmadiyya-Moscheen gelegt habe, die heute in Westdeutschland stehen.
Die freundliche Atmosphäre an der Tiniusstrasse lässt etwas den riesigen Wirbel vergessen, den es um das muslimische Gotteshaus gegeben hat. Zwar wird die Chadidscha-Moschee von allen im Bundestag vertretenen Parteien und zahlreichen Bürgerinitiativen nachdrücklich unterstützt. Doch viele Bürger, auch Anwohner, haben sich vehement gegen den Bau der Moschee gewehrt. Die «Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger» schiesst rhetorisch aus allen Rohren gegen die Muslime, hat 20 000 Unterschriften gesammelt und will an diesem Abend eine Kundgebung abhalten. Andreas Kaehler, der evangelische Pfarrer der Gemeinde Heinersdorf, hat schwere Bedenken geäussert. Und selbstverständlich sind auch die Rechtsextremen der NPD gegen den Bau des Gotteshauses.
Die Vorbehalte der Kritiker scheinen stark übertrieben. Gewiss, ganz unbefangen verlässt man das Moschee-Areal nicht. Frauen sind hier nur wenige zu sehen, und die, die doch hergekommen sind, betreten ihren separaten Betraum durch einen eigenen Eingang. Die von Mirza Ghulam Ahmad 1889 gegründete Ahmadiyya-Bewegung versteht sich als dem Islam zugehörig, was allerdings von zahlreiche Muslimen traditioneller Glaubensrichtungen bestritten wird. Die Islamische Weltliga hat die Ahmadiyya in einer Fatwa 1974 zu Nichtmuslimen erklärt. Während sich der orthodoxe Islam an der Definition des Prophetentums der Ahmadiyya stösst, sind westliche Kritiker der Ansicht, die Ahmadiyya strebten eine Regelung der Gesellschaft auf der Basis der Scharia an, lehnten die Trennung von Religion und Staat ab und zeigten in ihrem Schriftgut eine klar antidemokratische, antichristliche und antisemitische Haltung.
Breites Meinungsspektrum
Die ehemalige Bürgerrechtlerin und Grünen-Politikerin Vera Lengsfeld hat die Moschee gar als «Kaderschmiede einer islamischen Polit-Religion» bezeichnet und ebenfalls antisemitische und antiemanzipatorische Tendenzen ausgemacht. Zahlreiche andere Koryphäen, unter ihnen die bekannte Religionswissenschafter Stephan Rosiny und Peter Antes, lehnen diese Charakterisierung allerdings entschieden ab. Sie attestieren den Ahmadiyya absolute Friedlichkeit und eine demokratische Grundhaltung.
Die Gegner des Moscheebaus in Pankow wehren sich ähnlich wie die Kritiker der in Köln-Ehrenfeld geplanten Grossmoschee dagegen, einfach als xenophobe, intolerante Rassisten abgestempelt zu werden. Die «Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger» stellt ein Zitat der türkischen Schriftstellerin Serap Çileli mit deutlich emanzipatorischem Einschlag an die Spitze ihres Protestaufrufs: «Eure Toleranz wird uns muslimischen Frauen noch umbringen . . . Uns türkischen Frauen wäre viel Leid erspart geblieben, wenn man in Deutschland mehr über den Alltag von muslimischen Frauen geredet hätte.»
Auch bei den Moschee-Befürwortern gibt es viele, die der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft skeptisch gegenüberstehen. Gesamthaft scheint sich aber doch die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass es wohl das Beste ist, wenn man die Sache pragmatisch nimmt. Sollte es tatsächlich eine Diskrepanz zwischen bekundeter und gelebter Lehre geben, steht ja noch immer das Strafgesetzbuch zur Verfügung. Dinge wie Zwangsehe und Polygamie sind in Deutschland verboten.
taz, 17.10.2008
Heinersdorf hat endlich seine Moschee
Im Pankower Ortsteil Heinersdorf ist am Donnerstag die erste neu gebaute Moschee in Ostdeutschland eröffnet worden. Sowohl die Gegner als auch die Befürworter gingen auf die Straße VON KRISTINA PEZZEI, ALKE WIERTH
Begleitet von Protesten beider Lager ist am Donnerstagabend die umstrittene Moschee in Pankow-Heinersdorf eröffnet worden. Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde begrüßte zur Einweihungsfeier etwa 250 Gäste, darunter der in London residierende Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und der Integrationsbeauftragte Günter Piening.
Er wünsche sich, "dass wir gute Nachbarn werden, dass Verstehen und Verständnis wächst, auf beiden Seiten", sagte Thierse während der Feierlichkeiten. Er wies allerdings darauf hin, dass Religionsfreiheit nicht nur hier eine Selbstverständlichkeit sein müsse - sondern auch im islamisch geprägten Teil der Welt. "Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden."
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beglückwünschte die Gemeinde. Die Moschee stehe für religiöse und kulturelle Toleranz in der Stadt, erklärte er. "Es ist wichtig, dass Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft im Dialog sich besser kennenlernen und Vorurteile abbauen."
Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte die Moschee zuvor schon als positives Beispiel für einen offenen Neubau gelobt. Er stufe die Ahmadiyya-Gemeinde zwar als als orthodox ein, extremistische Tendenzen beobachte er nicht, sagte Körting. Der Innensenator zeigte aber auch Verständnis für die Kritiker. "Das sind eben Bürger, die ihre Ängste haben."
Die Gegner der Moschee demonstrierten am Abend an der Prenzlauer Promenade, etwa 100 Meter von der Moschee entfernt. Allerdings fanden sich nur etwa 50 Leute ein. Entgegen den ursprünglichen Pläne blieb es bei einer Kundgebung.
In Heinersdorf bildeten etwa 100 Moscheebefürworter eine Menschenkette als ein "Band der Toleranz". Bevor er zur Eröffnung der Moschee ging, wertete Günter Piening die Moschee vor den Demonstranten als "gelungenes Beispiel für eine Auseinandersetzung mit dem Konflikt". Diskussionen über Moscheebauten werde es immer geben, so Piening. "Die Frage ist, ob die Gegner Rückhalt in der Bevölkerung finden." Das sei in Heinersdorf nicht mehr der Fall. Insgesamt waren am Donnerstag 500 Polizeibeamte im Einsatz.
Die Moschee war seit Bekanntwerden der Baupläne Ende 2005 umstritten. Stoff für die Gegner bot die Tatsache, dass die Ahmadis ihren im 19. Jahrhundert geborenen Begründer Mirza Ghulam Ahmad als letzten Propheten des Islams betrachten und deshalb weltweit von vielen Muslimen als abtrünnige Sekte betrachtet werden. Auch der Standort der Moschee erregte das Misstrauen vieler Anwohner. Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde leben bisher nicht in Heinersdorf, die Gemeinschaft ist in Reinickendorf ansässig.
Die Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb) sammelte 20.000 Unterschriften gegen den Moscheebau. Ihr Antrag auf ein Bürgerbegehren wurde vom Bezirksamt dennoch abgelehnt. Dass auf Demos der Ipahb immer wieder auch Rechtsextreme mitmischten, ließ die Unterstützung für die Interessengemeinschaft in der Bevölkerung sinken.
Berliner Morgenpost, 17.10.2008
CDU-Politiker führt Kritiker des Islam an
Die islamkritischen Stimmen in Berlin und Brandenburg haben sich in einer Interessengruppe zusammengefunden. Ende September schon gründete sich in Spandau der berlin-brandenburgische Landesverband von Pax Europa.
Erster Vorsitzender ist der Pankower CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, sein Stellvertreter wurde Joachim Switlik, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger. Beide demonstrierten gestern gegen den Bau der Ahmadiyya-Moschee in ihrem Bezirk.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte im Berliner Abgeordnetenhaus die Politik von Pax Europa. Das grundsätzliche Anliegen, die christlich-jüdische Kultur zu fördern, sei zwar legitim. Aber sobald sich das gegen den Islam richte, sei dies ein "Eingriff in die Religionsfreiheit". Senator Körting bezeichnete es als "bedenklich", wenn sich ein Mitglied einer demokratischen Partei dieser Organisation anschließe.
In einer Presseerklärung wendete sich Stadtkewitz gegen die "fundamentalistische Ideologie des Islam" und "das System der Imame", die "eine Ideologie verbreiten, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben darf". Stadtkewitz will damit offenbar den rechten Flügel seiner Partei stärken. Für die Morgenpost war er gestern nicht zu erreichen. Der designierte Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel wollte keinen Kommentar abgeben. Er kenne die Organisation nicht und habe mit seinem Parteifreund auch noch nicht gesprochen.
Berliner Morgenpost, 17.10.2008
"Moschee steht für religiöse Vielfalt"
Von S. Flatau, H. Nibbrig und S.Pletl
In Heinersdorf hat die Ahmadiyya-Gemeinde gestern ihre umstrittene Moschee eröffnet. Zur feierlichen Zeremonie im 1,7 Millionen Euro teuren Neubau war das geistige Oberhaupt der Gemeinde, Kalif Ahmad, aus London gekommen.
Auch Berliner Politiker gehörten zu den geladenen Gästen. "Nach so viel Streit, so vielen Vorurteilen und Missverständnissen ist es gut, dass jetzt der Alltag des religiösen islamischen Lebens beginnen kann", sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in seinem Grußwort. Die Moschee stehe für die religiöse Vielfalt der Stadt, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Ihr Urteil zum Gebäude: "Ein schlichter und angenehmer Bau, nicht protzig."
Polizisten kontrollierte die Zufahrt zum Grundstück an der Tiniusstraße. Viele Berliner Muslime waren gekommen, darunter aber nur wenige Frauen. Die Gemeinde hätte lieber im Westteil der Stadt gebaut, sagte der Frankfurter Schriftsteller Hadayatullah Hübsch in der Pressekonferenz. Doch von zehn infrage kommenden Berliner Grundstücken habe es nur für das Pankower Areal einen positiven Bauvorbescheid gegeben.
Nur wenige Demonstranten
Trotz einer angekündigten Demonstration von Moschee-Gegnern blieb der Abend friedlich. An der von der "Initiative Pankow-Heinersdorfer Bürger" (IPAHB) angemeldeten Demonstration hatten weitaus weniger Menschen teilgenommen als erwartet. Die Polizei, die 500 Beamte eingesetzt hatte, zählte nach Angaben von Polizeisprecher Christian-Alexander Hoppe gerade mal 160 Demonstranten.
Die Moschee-Gegner die in den vergangenen Monaten etwa 200 000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt hatten, versammelten sich ab 18 Uhr an der Prenzlauer Promenade. Sie sehen in dem Moschee-Neubau ein Zeichen für die weitere Islamisierung der Gesellschaft. Auf einem Transparent wurde der Moschee-Bau als "weiterer Sargnagel der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" bezeichnet. Ursprünglich wollten die Demonstranten von der Prenzlauer Promenade zum Rathaus Pankow ziehen. Wegen der geringen Teilnehmerzahl entschieden sich die Veranstalter, sich mit einer Kundgebung an der Prenzlauer Promenade zu begnügen. Kurz zuvor hatten Moschee-Befürworter des Vereins "Zukunftswerkstatt - Bürgerverein Pankow" an der Breiten Straße mit einer Menschenkette gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus demonstriert. Mit etwa 100 Personen blieb die Teilnehmerzahl ebenfalls hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Im Umfeld der genehmigten Demonstrationen tauchten wiederholt kleinere Gruppen gewaltbereiter Extremisten von Links und Rechts auf. Angesichts des massiven Polizeiaufgebotes zogen sie es allerdings vor, auf Randale zu verzichten.
Moschee offen für alle Berliner
"Liebe für alle, Hass für keinen" war das Motto der Eröffnungsveranstaltung. Die Moschee und das Grundstück würden künftig allen Berlinern offen stehen, sagte der Vorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde Deutschland, Abdullah Uwe Wagishauser. "Wir freuen uns über jeden Besucher." Veranstaltungen würden zweisprachig oder nur in Deutsch abgehalten. Der kommende Sonnabend, Sonntag und Montag seien Tage der offenen Tür in der Moschee.
Die mehr als 200 Gemeindemitglieder in Berlin stammen hauptsächlich aus Pakistan, aber auch aus der Türkei und aus arabischen Ländern. Das Moscheegrundstück ist etwa 4800 Quadratmeter groß. Grundsteinlegung für den Neubau war im Januar vergangenen Jahres. Er verfügt über zwei Gebetsräume mit je 170 Quadratmetern Fläche. Im Erdgeschoss beten die Männer, unter der Kuppel die Frauen. Das Minarett ist 13 Meter hoch. Im Gemeindehaus nebenan sind zwei Wohnungen eingerichtet, außerdem Büros und eine Bibliothek. Zur Straße hin entsteht ein öffentlicher Spielplatz.
Der Tagesspiegel, 17.10.2008
Wowereit: Moschee steht für Toleranz
Die Ahmadiyya-Gemeinde eröffnet ihr umstrittenes Gotteshaus in Pankow. Neben dem Regierenden Bürgermeister warb auch Bundestagsvizepräsident Thierse für den Dialog.
Begleitet von viel Zuspruch, aber auch einzelnen Protesten hat die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde am Donnerstagabend im Pankower Ortsteil Heinersdorf die erste repräsentative Moschee in Ostdeutschland eröffnet. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beglückwünschte die Gemeinde zum Bau und zur Einweihung der Khadija-Moschee. Sie "steht für religiöse und kulturelle Toleranz in unserer Stadt". Angesichts des seit zweieinhalb Jahren andauernden Konflikts um die Moschee appellierte Wowereit an die in Berlin etwa 200 Mitglieder zählende Gemeinde, auch weiterhin ihren Beitrag dazu zu leisten, "dass Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft im Dialog miteinander sich besser kennenlernen und Vorurteile abbauen".
An dem abendlichen Festakt nahm Wowereit allerdings wegen eines Treffens zur Finanzkrise im Bundeskanzleramt nicht teil.
Rund 200 geladene Politiker, Vertretern aller großen Religionsgemeinschaften, Unterstützer und Nachbarn der Moschee feierten die Eröffnung im mit Koranversen geschmückten Kuppelsaal des Gotteshauses, verfolgt von Dutzenden Journalisten und Kamerateams aus aller Welt. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) begrüßte den Bau als Ausdruck der Religionsfreiheit in Deutschland und appellierte an Nachbarn und Gegner der Moschee, aber auch an die Ahmadiyya-Gemeinde, sich mehr um gegenseitiges Verständnis zu bemühen.
Das weltweite Oberhaupt der Gemeinschaft, der aus London angereiste Kalif Mirza Masroor Ahmad, dankte den Gästen und den Politikern, die die Moscheepläne gegen die Proteste der vergangenen zweieinhalb Jahre verteidigt haben. Er betonte die Loyalität seiner Gemeindemitglieder gegenüber Deutschland und kündigte an, dass man auch für die Moscheegegner beten werde: "Mögen sie die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde als echte deutsche Mitbürger akzeptieren lernen." Die Gemeinde hat nach eigenen Angaben in Deutschland 30.000 Mitglieder.
Manche Nachbarn und organisierte Gegner der Moschee in der Tiniusstraße machten auch am Eröffnungstag aus ihrer Ablehnung keinen Hehl. Am Abend demonstrierte die Bürgerinitiative Ipahb (Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger) gegen die Moschee. Einige hundert Menschen versammelten sich hinter Transparenten mit Parolen wie "Gegen Missbrauch der Religionsfreiheit". Darunter war auch der frühere CDU-Kreisvorsitzende René Stadtkewitz, außerdem nach Polizeiangaben 20 bis 30 Anhänger der rechtsextremen Szene. Der jetzige Pankower CDU-Vorsitzende Peter Kurth hatte allerdings den Aufruf für eine gegen die Antimoschee-Kampagne der NPD gerichtete Veranstaltung mitunterzeichnet, die auf der anderen Seite der Tiniusstraße stattfand. An dieser Kundgebung für Toleranz nahmen laut Polizeiangaben rund 50 Menschen teil. Die Polizei war mit 500 Beamten im Einsatz, bis zum späten Abend blieb alles friedlich. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bezeichnete die gegen die Moschee protestierende Ipahb als "Bündnis ängstlicher Bürger", die keine Ansammlung von rechtsextremistisch denkenden Menschen sei. Auch wenn die Ausrichtung der Ahmadiyya-Gemeinde Körting selbst "zu orthodox" sei, gehe von ihr allerdings "keine Gefahr" aus. Am heutigen Freitag ist in der 1,7 Millionen Euro teuren Moschee, die den Namen der Ehefrau des Propheten Muhammad, Khadija, trägt, das erste Freitagsgebet mit 500 Gästen vorgesehen.
Berliner Morgenpost, 17.10.2008
Friedliche Proteste bei Moschee-Einweihung
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beglückwünschte die Ahmadiyya Muslim Gemeinde zu ihrem neuen Gotteshaus . Er freue sich, dass die Gemeinde ihre neue Moschee einweihen könne“, erklärte Wowereit in einer Mitteilung. Sie stehe für religiöse und kulturelle Tolerenz in der Stadt. „Es ist wichtig, dass Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft im Dialog miteinander sich besser kennenlernen und Vorurteile abbauen. Ich bin sicher, dass die Ahmadiyya Gemeinde dazu auch weiterhin ihren Beitrag leisten wird.“
An der Eröffnungsfeier, die von „Muslim TV Ahmadiyya“ weltweit übertragen wurde, nahmen rund 250 geladene Gäste teil. Viele Berliner Muslime waren gekommen, darunter aber nur wenige Frauen. Am Freitag ist in der Moschee, die den Namen der ersten Muslima und Ehefrau des Propheten Muhammad, Khadija, trägt, das erste Freitagsgebet mit 500 Gästen vorgesehen. Der rund 1,7 Millionen Euro teure Bau an der Tiniusstraße wurde ausschließlich von der Frauenvereinigung „Lajna Imaillah“, finanziert.
Proteste bleiben friedlich
Die Moschee-Gegner die in den vergangenen Monaten etwa 200.000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt hatten, versammelten sich ab 18 Uhr an der Prenzlauer Promenade. Sie sehen in dem Moschee-Neubau ein Zeichen für die weitere Islamisierung der Gesellschaft. Auf einem Transparent wurde der Moschee-Bau als „weiterer Sargnagel der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ bezeichnet. Ursprünglich wollten die Demonstranten von der Prenzlauer Promenade zum Rathaus Pankow ziehen. Wegen der geringen Teilnehmerzahl entschieden sich die Veranstalter, sich mit einer Kundgebung an der Prenzlauer Promenade zu begnügen.
Kurz zuvor hatten Moschee-Befürworter des Vereins „Zukunftswerkstatt – Bürgerverein Pankow“ an der Breiten Straße mit einer Menschenkette gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus demonstriert. Unterstützung bekamen sie dabei dabei von SPD, Linkspartei, Grünen, FDP und CDU. Mit etwa 100 Personen blieb die Teilnehmerzahl ebenfalls hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Im Umfeld der genehmigten Demonstrationen tauchten wiederholt kleinere Gruppen gewaltbereiter Extremisten von Links und Rechts auf. Angesichts des massiven Polizeiaufgebotes zogen sie es allerdings vor, auf Randale zu verzichten. Eine zunächst geplante Kundgebung der NPD war kurzfristig abgesagt worden.
Ein Polizeisprecher sagte am Abend, das Wetter mit plötzlich einsetzenden Hagelschauern hätte offenbar Angehörigen beider Lager die Lust am Demonstrieren genommen.
In seiner Eröffnungsansprache dankte der in London residierende Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad der Bundesregierung und allen „mutigen Menschen“, die trotz der offenen Proteste zur Feier gekommen seien. Die Ahmadiyya-Gemeinde sei eine Bewegung der Liebe, die auf Friedfertigkeit setze und sich darin von extremistischen Bewegungen innerhalb des Islams unterscheide.
Standort ohne "Symbolcharakter"
"Der Standort dieser Moschee hat keinen Symbolcharakter“, sagte der Vorsitzende der aus Pakistan stammenden Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser. Die Gemeinde habe vier weitere Grundstücke, darunter drei im Westteil der Stadt, zum Bau des Gotteshauses in Betracht gezogen. Nur in Pankow sei jedoch eine Baugenehmigung erteilt worden. Die Gemeinde hätte lieber im Westteil der Stadt gebaut, sagte der Frankfurter Schriftsteller Hadayatullah Hübsch in einer Pressekonferenz.
Der zu den Ehrengästen der Eröffnung gehörende Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb für eine Kultur des wechselseitigen Respekts und der Toleranz. Wer als Muslim in Deutschland selbstverständlich Religionsfreiheit genieße, sollte nach seiner Ansicht auch in der arabischen Welt für Religionsfreiheit für Christen eintreten. „Die eigene Religions- und Meinungsfreiheit verteidigt man nur, wenn an die Meinungs- und Religionsfreiheit der Anderen verteidigt – hier in Pankow-Heinersdorf, in Berlin, in Deutschland, aber auch im islamisch geprägten Teil der Welt“, sagte Thierse.
Die Moschee stehe für die religiöse Vielfalt der Stadt, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Ihr Urteil zum Gebäude: „Ein schlichter und angenehmer Bau, nicht protzig.“
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte mit Blick auf die Bürgerproteste, ein Stopp des Moscheebaus sei für ihn nicht infrage gekommen. Wenn er einmal zulasse würde, dass eine Gruppierung den Bau einer Moschee, einer Synagoge oder einer Kirche verhindert, dann würde er einen Sündenfall begehen, sagte Körting Morgenpost Online mit Verweis auf die Religionsfreiheit. Der Innensenator verlangte aber von muslimischen Gemeinden, mehr Offenheit an den Tag zu legen. „Wir haben ein gewisses Problem, dass die Moscheen doch eine relativ geschlossene Gesellschaft für Muslime sind.“
Die Grünen-Integrationspolitikerin Bilkay Öney forderte indes vom Senat Konzepte gegen die aus ihrer Sicht steigende Islamophobie. Solange die Religionsfreiheit von den Muslimen nicht als Vorwand für Fundamentalismus, Fanatismus und Gewalt genutzt werde, solange müsse Muslimen ein selbstbestimmtes religiöses Leben ermöglicht werden. Der Bau von Moscheen gehöre dazu.
In Berlin gibt es für die mehr als 200.000 Muslime in der Stadt mehr als 80 Moscheen und islamische Gebetsräume. Die größte und repräsentativste ist die türkische Sehitlik-Moschee im Bezirk Neukölln, ein weiterer repräsentativer Bau steht in Kreuzberg vor der Fertigstellung. Die 1889 in Indien gegründete Ahmadiyya-Gemeinschaft versteht sich als Reformgemeinde. Sie wird in der islamischen Welt teilweise heftig angefeindet.
Spiegel online, 17.10.2008
Schrein des Anstoßes
Von Ferda Ataman und Katharina Peters
Der erste Moschee-Neubau Ostdeutschlands steht - doch der Konflikt mit den Anwohnern ist längst noch nicht geklärt: Während die Ahmadiyya-Gemeinde in Berlin ihr Gebetshaus feierte, demonstrierten Hunderte Gegner. Sie fürchten die Islamisierung ihres Stadtteils.
Berlin - Es klingt leicht belustigt, als Abdullah Uwe Wagishauser dem holländischen Journalisten antwortet: "Sie haben offenbar keine Ahnung von Moscheebau in Deutschland", sagt der Konvertit und Vorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland. "Hier kann man sich nicht aussuchen, wo man sein Gebetshaus hinstellt." Er lächelt, will erklären, warum das schöne weiße Haus in einem hässlichen Industriegebiet steht. Und warum ausgerechnet im Osten der Stadt.
ERSTER MOSCHEE-NEUBAU IM OSTEN: FEIERN UNTER PROTEST
Am Donnerstagabend wurde die Khadija-Moschee eröffnet, das Gebetshaus der Berliner Ahmadiyya-Mitglieder in Heinersdorf - und der erste Moschee-Neubau in Ostdeutschland. Nach zwei Jahren Bauzeit ist sie fertig, aber der Konflikt um das Gebetshaus offenbar noch nicht beendet. Der weiße Betonkomplex mit Kuppel und Minarett steht neben einem Autoteile-Händler, nahe der Schnellstraße 114, die aus Berlin hinausführt. Selbst diesen trostlosen Platz wollen manche Gegner nicht der muslimischen Bevölkerung überlassen.
Mit dem Plan zum Moscheebau kam vor zwei Jahren der Islam in das ostdeutsche Heinersdorf. Viele der 6500 Bürger wissen bis heute nicht so recht, wie sie das finden sollen. Am Tag der Einweihung wird das verschlafene Wohnviertel daher erneut zum Austragungsort eines lokalen Kulturkampfes. Vier Demonstrationen waren angekündigt, zwei gegen das muslimische Gebetshaus und zwei gegen die islamfeindlichen Gegner. Für den Fall von Ausschreitungen fand die Feier unter Polizeischutz statt.
"Die Politiker haben uns verarscht"
Insgesamt sind an diesem Abend in Heinersdorf 500 Polizisten im Einsatz. Tatsächlich findet jedoch nur eine Demonstration der Moscheegegner statt: An der Tankstelle unweit der Eröffnungsfeier versammeln sich rund 150 Leute, Anwohner, Rentner, Jugendliche, Mitglieder der "Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger", einem eingetragenen Verein. Die Gruppe hat fleißig Unterschriften gegen den Bau der Moschee gesammelt, doch diese wurde trotzdem gebaut. "Die Politiker haben uns verarscht", sagen hier viele. Sie alle eint die Wut auf "die da oben"- und die Angst vor dem Islam, aus unterschiedlichen Motiven.
"Die bauen die Moschee doch nur, um unter sich zu bleiben und gegen uns zu hetzen", ruft ein Rentner mit Filzhut und Hornbrille, er ist schon fast heiser. Eine Sozialwissenschaftlerin fürchtet gar den "Endsieg durch den Vormarsch der Ahmadiyya weltweit". Auf einem kleinen Laster doziert sie mit monotoner Stimme über Lautsprecher, sie spricht von einer "Expansionsstrategie" der Muslime und ihrer "Legalitätstaktik".
Vor dem Veranstaltungswagen stehen drei Kraftfahrer mit geschorenen Haaren. "Mit dem Dschihad haben die ja auch Kontakt, die machen doch in Afghanistan Krieg", sagt einer der drei, er trägt einen Lonsdale-Pullover, eine beliebte Kleidermarke der Neonazis.
Zwar hatte die NPD ihre Demonstration aus Mangel an Interesse kurzfristig abgesagt. Doch mindestens 20 Neonazis haben laut Polizei trotzdem ihren Weg zur Protestveranstaltung gefunden, mit Bomberjacken und aggressiven Parolen. "Die passen nicht zu uns, die wecken Ängste", sagt einer. Welche Ängste das sind, kann er nicht beantworten.
Mit den neuen Nachbarn kamen auch Neonazis
Die 150 Protestler stehen im Regen und halten Plakate hoch, auf denen Sprüche wie "Willkommen im Mittelalter" stehen. Doch das ist noch harmlos: Vor zwei Jahren waren es zehnmal so viele, die sich für eine Informationsveranstaltung über den Moscheebau in die Turnhalle einer Schule drängten. Mit den Nachbarn kamen auch Neonazis. Einer rief "wir sind das Volk", erst leise, dann lauter. Auch viele Heinersdorfer schlossen sich an. Ein schauerliches Bild, das die Ahmadiyya-Gemeinde bis heute nicht vergessen hat.
Bei der Feier unter der Moscheekuppel am Donnerstagabend halten Politiker vor den geladenen Gästen Reden, die von den Konflikten der Vergangenheit überschattet sind. "Das ist der Abschluss eines Prozesses, der allen eine Menge Aufregung und Schmerz beschert hat", sagt Heidi Knaacke-Werner, Berliner Senatorin für Integration. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse wünscht "Gottes Segen und uns miteinander Frieden". Nach so viel Streit, Vorurteilen und Angst sei es gut, dass endlich Alltag einziehen könne in das Gebäude.
Die Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland zählt 30.000 Menschen, die meisten stammen aus Pakistan. Als Minderheit unter den verschiedenen muslimischen Glaubensrichtungen wurden sie in der asiatischen Welt von anderen Muslimen als Ungläubige verbrämt und verfolgt. In Berlin wollte die Gemeinde schon einmal eine Moschee errichten, im Jahr 1920. Sie sollte allein von den Spenden weiblicher Angehöriger finanziert werden, doch die Weltwirtschaftskrise entwertete das gesammelte Geld.
88 Jahre später, während einer neuen Finanzkrise, wird sie nun schließlich eröffnet. Von draußen dringt ab und zu der Lärm von Trillerpfeifen und klatschenden Demonstranten herüber. Doch die Gemeindemitglieder sind zuversichtlich. "150 Gegner - das waren schon mal mehr", sagt der Student Asif Malik, "das ist doch eine Verbesserung". Im Hintergrund singen bunt verschleierte Mädchen mit hohen Stimmen im Kanon "Moschee, viel weißer als der Schnee".
Zeit online, 16.10.2008
Glaubenskrieg um Berliner Moschee
Von Franziska Günther
Zum ersten Mal eröffnet ein islamisches Gotteshaus in einem Ostberliner Stadtteil. Unter großem Polizeiaufgebot.
Die umstrittene Khadidja-Moschee im Berliner Stadtteil Pankow-Heinersdorf
In Berlin gibt es bereits mehr als 40 Moscheen. Aber noch nie hat ein Neubau für so viel Aufruhr gesorgt wie der der Khadidja-Moschee im Ostberliner Stadtteil Pankow-Heinersdorf. Vor der Eröffnungsfeier am Abend warben daher Prominente und Politiker für Toleranz und Religionsfreiheit. Erwartet wurden aber auch mehrere Hundert Demonstranten, die seit langem gegen die Moschee protestieren. Die Polizei schickte zum Schutz der Festgemeinde rund 500 Beamten zum Einsatz.
Anfang 2006 hatte die Ahmadiyya-Gemeinde bekannt gegeben, in Pankow ein Gebetshaus bauen zu wollen, mit Minarett und Kuppel. Bezirksamt und Verfassungsschutz winkten den Plan durch. Die Nachbarschaft aber spaltete sich sofort in zwei Lager: das der Empörten und das der Toleranten.
Die Ahmadiyya-Gemeinde sieht sich als konservative Reformbewegung innerhalb des Islam. Ihre Anhänger bezeichnen sich als „wahre Muslime“ und wollen zurück zum „unverfälschten Koran“. In Deutschland leben 60.000 sogenannte Ahmadis, in Berlin knapp 200. Obwohl der Verfassungsschutz sie als friedlich einstuft, hat man im Kiez Angst vor Extremisten. Die Moschee-Gegner der Initiative Pankow Heinersdorfer Bürger (Ipahb) haben deshalb zwei Jahre lang versucht, mit Demos, Bürgerbegehren und Strafanzeigen den Bau zu stoppen. Unterstützt wurden sie dabei von der NPD und der örtlichen CDU.
In ihrer Argumentation berufen sich die Gegner auf Schriften der Ahmadis. Darin wollen sie Texte gefunden haben, in denen Gewalt gegen Frauen verherrlicht und Homosexuelle diskriminiert würden. Die Bürgerinitiative zeigte sich in einem Aufruf zur Demonstration bei der Eröffnung empört darüber, dass Ahmadiyya-Frauen durch das „Reichen negativer Zärtlichkeiten“ diszipliniert werden dürften. Ihrer Ansicht nach seien die Ahmadis eine „frauenfeindliche Sekte“.
Abdul Basit Tariq, Imam der Gemeinde, wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Diese seien aus dem Zusammenhang gerissen. Die Frauen der Gemeinde dürfen sogar im Kuppelsaal beten. Männer müssen sich mit einer Etage tiefer begnügen. Das Gebäude, das den Namen der ersten Frau des Propheten Mohammed trägt, wurde von einer muslimischen Architektin entworfen.
Mittlerweile ist der Kreisvorsitzende der Pankower CDU Peter Kurth ins Lager der Ahmadiyya-Freunde übergewechselt. Er hat sich der Anwohnerinitiative „Wir sind Pankow-tolerant und weltoffen“ angeschlossen und setzt sich nun für Religionsfreiheit ein. Grund für seinen Sinneswandel war eine angekündigte Mahnwache der NPD, mit der er nicht in Verbindung gebracht werden wollte. SPD, Grüne und Linkspartei waren von Anfang an auf der Seite der Ahmadis. Auch viele Heinersdorfer Bürger unterstützen in Plakataktionen und Gegenkundgebungen die muslimische Gemeinde vor Ort. So wollten sie auch am Abend der Eröffnung mit einem Friedensband durch Heinersdorfer Straßen marschieren.
In ihrem Grußwort zur Eröffnung zitiert die Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese (SPD) den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau: „Es braucht Orte, wo wir ohne Angst verschieden sein können“. Die Senatorin Heidi Knake-Werner formuliert das nüchterner: „Viel pragmatischer geht es darum, dass Menschen im Alltag miteinander zurechtkommen.“ Ob das in Pankow-Heinersdorf gelingt, wird sich wohl schon zur Eröffnung zeigen. Dass nicht alle zuversichtlich sind, beweist das große Polizeiaufgebot.
Deutsche Welle, 16.10.2008
Allah im Internet
Islam und Internet: Dabei denken viele reflexartig an dschihadistische Webseiten und wackelige Amateurvideos, in denen vermummte Männer mit Kalaschnikows zum Krieg gegen den Westen aufrufen. Doch Islam im Netz ist viel mehr als das: Live-Fatwas, Videopredigten, Infoseiten, Diskussionsforen oder Koranverse als Klingeltöne: Längst hat der Islam das Internet erobert.
Jenseits grimmiger Propagandaportale gibt es im Internet eine unüberschaubare Zahl von Seiten, die muslimischen Internetusern ein buntes Glaubensangebot bereitstellen. Vermehrt nutzen auch islamische Verbände die Möglichkeiten des World Wide Web. Unter dem Titel "Middle East 2.0" sendet der Fokus Nahost in dieser Woche eine Serie zur Bedeutung des Internets im Nahen Osten und in der muslimischen Welt.
Moscheestreit in Berlin
Nach heftigem Widerstand wird am Donnerstag (16.10.2008) die erste Moschee im Ostteil eröffnet. Das Gotteshaus mit einem zwölf Meter hohen Minarett gehört der Ahmadiyya Muslim Gemeinde im Pankower Ortsteil Heinersdorf. Zu den rund 250 geladenen Gästen aus dem In- und Ausland gehört Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Gegner des Moscheebaus haben erneut Proteste angekündigt. Anwohner befürchten eine "Islamisierung" des Stadtteils.
Die Geschichte der neuen Ahmadiyya-Moschee ist vor allem eine Geschichte voller Missverständnisse, Kommunikationsfehler und Streitereien. Am Anfang stand die Suche der Gemeinde nach einem neuen Grundstück und der Wunsch nach einem repräsentativen Gebetshaus. Am Ende stand ein kleiner Kulturkampf.
Redaktion: Ina Rottscheidt
Welt online, 16.10.2008
Wowereit beglückwünscht Ahmadiyya Gemeinde zur neuen Moschee
Berlin (dpa) - Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat am Donnerstag die Ahmadiyya Muslim Gemeinde zu ihrer neuen Moschee beglückwünscht, die am Abend in Berlin-Heinersdorf eröffnet werden soll. Er freue sich, dass die Gemeinde ihre neue Moschee einweihen könne», erklärte Wowereit in einer Mitteilung. Das Gotteshaus mit einem zwölf Meter hohen Minarett im Pankower Ortsteil Heinersdorf ist der erste repräsentative Neubau einer Moschee auf dem Boden der früheren DDR. Die Eröffnungszeremonie mit rund 250 geladenen Gästen aus dem In- und Ausland sollte unter Polizeischutz stattfinden.
Süddeutsche Zeitung, 16.10.2008
Wohlfühldiktatur ohne Mischlinge
Wer wissen will, was die NPD plant, muss keine Wanzen oder V-Männer einsetzen. Ein Blick ins Programm zeigt den wahren Charakter der Partei.
Von Steffen Kailitz
Das nationalsozialistische Menschenbild der NPD ist eindeutig: "Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes.
Wenn an diesem Donnerstag im Berlin-Pankower Ortsteil Heinersdorf die Khadija-Moschee eröffnet wird, will die NPD protestieren - mal wieder. Islamische Gebetshäuser gelten der Partei als Vorboten einer "Überfremdung", die Deutschland "durch kultur- und rassefremde Menschen" drohe.
In den Ideen, die sie dazu entwickelt hat, wie mit diesen Menschen zu verfahren ist, zeigt sich deutlich: Die NPD ist eine nationalsozialistische Partei. Wie die NSDAP gehört sie zu einer Gruppe rechtsextremistischer Parteien, deren Programmatik eine völkische Ausrichtung mit einer starken Betonung sozialstaatlicher Elemente und dem Streben nach einer staatlichen Kontrolle der Wirtschaft kombiniert.
Das heißt nicht, dass es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen der historischen NSDAP und der NPD gibt. Doch die gibt es auch in anderen Parteienfamilien. Auch die SPD der Weimarer Republik und die heutige Steinmeier-SPD haben keine identische Programmatik.
Wer die NPD als nationalsozialistisch bezeichnet, klebt ihr kein fremdes Etikett auf. Statt von Nationalsozialismus sprechen Anhänger und Funktionäre der NPD nur lieber von "nationalem Sozialismus" und "sozialem Nationalismus".
Die Göttinger Parteijugend bringt ihre Glaubensbekenntnis so auf den Punkt: "Wir sind nationale Sozialisten und wissen, dass nur der nationalistische Glaube Deutschland, Europa und den Rest der Welt in eine bessere, friedlichere und gerechtere Zukunft führen kann."
In ihrem "Politischen Lexikon" lobt die NPD die faschistischen und proto-faschistischen Regime Italiens, Spaniens und Portugals dafür, dass sie den romanischen Staaten "durch zeitweilige Ausschaltung liberalistischer und marxistischer Positionen, zu zeitweiliger Blüte verholfen haben".
Häufig beurteilen Funktionäre der NPD auch die nationalsozialistische Diktatur und ihre führenden Vertreter positiv. So bezeichnete der inzwischen verstorbene sächsische Vorzeigekandidat der Partei, Uwe Leichsenring, das "Dritte Reich" als "Wohlfühldiktatur mit 95 Prozent Zustimmung".
Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, antwortete auf die Frage, ob er mit der Bezeichnung "Neonazi" leben könne: "Wenn Sie damit meinen, dass ich ein Mann bin, der national denkt und fühlt und sozial handelt, dann fühle ich mich durchaus richtig bezeichnet." Hitler sei für ihn ein Mann, der "wahnsinnige Pflöcke" eingerammt habe - "militärisch, sozial, ökonomisch".
Wer wissen will, was die NPD plant, muss keine Wanzen oder V-Männer einsetzen. Es genügt, das Partei-, das Aktions- und das Europaprogramm der Partei zu lesen und sich auszumalen, was es bedeuten würde, diese umzusetzen. Wie die NSDAP bekennt sich die NPD zur Volksgemeinschaft. Diese sei in Deutschland "durch bewusst herbeigeführten, fortgesetzten Ausländerzustrom" zerstört worden, an ihre Stelle eine Ansammlung von Individuen mit egoistischen Zielen getreten.
Aus dem dunklen Jetzt weist die NPD den Weg in die lichte Volksgemeinschaft. Zweierlei fordert sie dabei als Wegzoll ein: Wer einen deutschen Stammbaum hat, muss sich den Interessen der Volksgemeinschaft bedingungslos unterordnen. Wer keinen deutschen Stammbaum hat, muss verschwinden.
Das nationalsozialistische Menschenbild der NPD ist eindeutig: "Der Mensch existiert nur in seiner je unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Prägung und damit als Angehöriger eines bestimmten Volkes." Als Konsequenz plant die NPD, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. "Ausländerrückführung" nennt sie das beschönigend.
"Ausländer" ist, wen die NPD nicht als völkischen Deutschen akzeptiert. So beklagt sie in ihrem Aktionsprogramm, dass die offizielle Zahl der Ausländer in Deutschland nicht die "Ausländer mit BRD-Pass" umfasse. Wer aus Sicht der NPD nicht "germanischstämmig" ist, bleibt für diese Partei "körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper".
Die Verleihung eines "bedruckten Papiers", sprich der deutschen Staatsangehörigkeit, ändere nicht die "biologischen Erbanlagen". Ein Farbiger kann daher für die NPD, unabhängig von seinem Geburtsort und seiner Staatsangehörigkeit, niemals Deutscher sein.
Fast jeder fünfte Mensch in Deutschland hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Immigrationshintergrund. Deutlich mehr als die Hälfte dieser rund 15,1 Millionen Menschen sind deutsche Staatsbürger. Vier von zehn sind in Deutschland geboren. Bis zu elf Millionen dieser Menschen will die NPD vertreiben.
Die Bestimmung der konkreten Zahl ist schwierig, da die Partei offen lässt, wer genau zu den so genannten "ethnisch-kulturell verwandten europäischen Völkern" zählt. Die NPD will nämlich in erster Linie "kultur- und rassefremde Menschen" aussondern. Zuwanderer aus Österreich oder Dänemark müssten wohl kaum fürchten, aus dem Land gejagt zu werden, wohl aber jene aus der Türkei und Osteuropa.
Berliner Morgenpost, Welt online, 16.10.2008
Schlaflose Nächte vor Moschee-Eröffnung
Von Sabine Flatau
Tiniusstraße in Heinersdorf, am Dienstagnachmittag. Kopfsteinpflaster, gepflegte Gärten, Ein- und Mehrfamilienhäuser. Kein Mensch ist auf der Straße zu sehen, niemand in den Gärten. Es scheint die Ruhe vor dem Sturm. Vor der Eröffnung der Khadija-Moschee am Donnerstagabend.
Der 13 Meter hohe weiße Kuppelbau ist gut zu sehen, aber nicht überragend. Ebenso das Minarett. Je näher man kommt, desto mehr deutet auf einen Ausnahmezustand hin. Schilder kündigen das Parkverbot bis Sonnabend an. Links und rechts vom Moscheegrundstück stapeln sich Dutzende Absperrgitter. Auf dem Gelände herrscht emsiges Treiben. Bauarbeiter erledigen die restlichen Arbeiten. Noch liegen Kabel, Planen und Werkzeuge herum. Neben dem Gotteshaus sind weiße Zelte aufgebaut.
Kalif kommt aus London angereist
Im größten sitzt das Oberhaupt der Ahmadiyya-Gemeinde hinter einem langen Tisch. Abdul Basit Tariq hat ständig Kopfschmerzen. Die Eröffnung der Moschee bereite ihm schlaflose Nächte, erzählt der 60-Jährige. Trotzdem beantwortet er freundlich die Journalistenfragen. Klar, es geht immer wieder um die weiblichen Gemeindemitglieder. "Wir sind stolz auf unsere Frauen", sagt er. "Sie haben unsere Moschee durch ihre Spenden finanziert." Stolz ist er auch, dass die Moschee nach Plänen einer muslimischen Architektin gebaut wurde. "Ich kenne die Familie", sagt Abdul Basit Tariq, "nette, gebildete Leute."
Immer wieder klingelt das Handy des Imam. Immer wieder gibt er zwischendurch Anweisungen. "Die Eröffnung wird ein Tag der Freude", sagt er. "Ich bin Gott dankbar, dass er uns die Geduld und die Kraft zum Aufbau der Moschee gegeben hat." Traurig sei er wegen der Reibereien. "Aber durch die Anfeindungen ist die Gemeinde bekannt geworden." Seit zwei Jahren bekämpft die Initiative Pankow-Heinersdorfer Bürger das Bauvorhaben. Moscheegegner demonstrierten in Pankow. Der Geistliche aber spricht von der Begegnung der Kulturen, die auf dem Grundstück stattfinden soll, und vom Leben in friedlicher Nachbarschaft. Doch zunächst muss er die Logistik der Eröffnungsveranstaltung in den Griff bekommen. 300 Gäste sind geladen. Die erste Moschee im Osten Berlins wird mit einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Mit Worten aus dem Koran, Gedichtrezitationen von Kindern, Reden von Pankower Politikern und schließlich der Ansprache des Kalifen. Der reist mit Gefolge aus London an und wird im Gemeindehaus nächtigen, das neben der Moschee erbaut ist. Erst danach bezieht der Imam die Wohnung im Obergeschoss.
Angst vor Randalen
Im geschäftigen Pankow, auf der Breiten Straße, nehmen Passanten und Käufer nur am Rande Notiz von der Moscheeeröffnung. Wo genau das Gotteshaus steht, wissen die wenigsten, auch wenn sie davon gehört haben. "Ich finde es ein bisschen merkwürdig", sagt eine junge Frau. "Aber solange die Muslime nicht meinen, die übrige Gesellschaft mit einbeziehen zu müssen, habe ich kein Problem." Eine ältere Pankowerin macht aus ihrer Ablehnung keinen Hehl: "Wir dürfen in der Türkei auch keine Kirchen bauen." Sie könne die Moschee tolerieren, sagt eine junge Mutter. "Ich hätte nur Angst, wenn es dort dauernd Randale gibt." Dass es im Umfeld der Moschee friedlich zugeht, darauf hofft auch der Imam in der Tiniusstraße. Um Frieden werden die Muslime bitten, wenn sie sich in der Moschee niederwerfen.
Doch noch sind die Gebetsräume leer. Sie wirken feierlich, mit den weißen Wänden und den arabischen Schriftzeichen, mit den weichen, grün gemusterten Teppichen, die gen Mekka ausgerichtet sind. Leer ist auch immer noch die Tiniusstraße. Nur ganz am anderen Ende fegt ein Mann das Laub auf dem Gehweg. Nach der Moschee gefragt, unterbricht er seine Arbeit, stützt sich lächelnd auf den Besen. "Ich hab kein Problem damit", sagt Dieter Maile. "Wenn Menschen geflüchtet sind und bei uns aufgenommen wurden, dann sollen sie auch ihre Religion hier ausüben." Außerdem sei das Grundstück nun keine Brache mehr, auf der sich Ratten tummelten. Es sehe jetzt ordentlich aus. Das gefällt dem 71-Jährigen. Er erzählt, dass er früher als Fernmeldemonteur in arabischen Ländern unterwegs war. Er hat Telefonanlagen installiert. "Da habe ich mit den Einheimischen Hand in Hand gearbeitet." Aber der alte Herr weiß auch um den Gegenwind für die Moschee. Ganz ohne Eifer sagt er: "Wir brauchen Toleranz."
Der Tagesspiegel, 16.10.2008
Gratulation! Zur Moschee in Berlin-Heinersdorf
Der Koran wird aus versteckten Fabriketagen in für alle sichtbare, große Häuser getragen. Für die einen ist das ein Symbol dafür, dass die Muslime in Deutschland angekommen sind - für andere Ausdruck einer unüberwindlichen Fremdheit.
Zwischen Kentucky Fried Chicken und Kfz-Werkstätten wirkt der Bau der neuen Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Heinersdorf wie eine echte Schönheitsoperation. Das gilt auch für die wohl bislang größte Moschee in Deutschland, die nächste Woche im Schatten der Hochöfen von Duisburg-Marxloh eröffnet wird. Die neuen repräsentativen Moscheen sind mit ihren Kuppeln und Minaretten ein Stück osmanischer Sehnsuchtsarchitektur. Der Wunsch nach Heimat hat genauso mitgebaut wie der nach Ferne, Exotik und wohligem Kitsch.
So werden die Gebäude auch wahrgenommen. Dass der Koran aus versteckten Fabriketagen in für alle sichtbare, große Häuser getragen wird, ist für die einen Symbol dafür, dass die Muslime in Deutschland angekommen sind. Für andere aber sind die neuen Kuppeln und Minarette steingewordener Ausdruck einer unüberwindlichen Fremdheit von Menschen, denen der Glauben so viel wichtiger scheint als den Christen. Die Muslime eröffnen Moscheen, während Katholiken und Protestanten Kirchen schließen.
Schätzungsweise 2600 Moscheen gibt es in Deutschland, etwa 150 kann man an ihrer osmanischen Gestalt als solche erkennen. Die rund drei Millionen Muslime in Deutschland leiden aber nicht unter Platzmangel. Die neuen Großmoscheen sind überdimensioniert, geht man von der Anzahl der tatsächlichen Beter aus. Wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vor kurzem ergab, sind die Muslime in Deutschland im Schnitt zwar religiöser als die Christen, aber zum Freitagsgebet gehen nicht mehr von ihnen als Katholiken sonntags in die Kirche. Die neuen Moscheen sind – da haben deren Kritiker recht – durchaus auch als trotziges Ausrufezeichen gebaut: Hier sind wir!
Was hinter dem Ausrufezeichen gepredigt und gelebt wird, ob bei den Ahmadiyya in Berlin oder bei den Sunniten in Duisburg und Köln, ist ungefähr so modern, wie es die CSU in den fünfziger Jahren war. Frauen und Männer beten und feiern getrennt, die Frau fragt zuerst den Mann, ob sie sich eine Arbeit suchen darf. Die meisten Europäer heute und hier haben andere Vorstellungen von Gleichberechtigung, Partnerschaft und Diskussionskultur. Aber ein reaktionäres Weltbild ist noch längst kein ausreichender Grund, den Moscheebauern Grundstücke und Baugenehmigungen zu verweigern. Und ja, auch das stimmt: Mancher Moscheeverein unterhält Verbindungen zu zweifelhaften Organisationen. Das ist beunruhigend, aber ebenfalls kein Argument gegen ein neues Gebetshaus. Schafft nicht ein Gebäude, das für alle sichtbar ist, mehr Transparenz als jedes dunkle Vereinslokal in einer umgebauten Garage?
Dass im Namen des Islam anderswo auf der Welt Christen verfolgt werden, macht diese Religion nicht sympathisch. Besonders die Lage der Christen im Irak bereitet derzeit große Sorge. Aber so dramatisch die Situation auch ist, wie es Christen im Ausland ergeht, kann ebenfalls kein Maßstab sein, um Muslimen hier Moscheen zu verwehren. Im Gegenteil: Gerade weil andere Diktatoren des Glaubens sind, müssen wir die Fahne der Toleranz, Pluralität und Religionsfreiheit hoch hängen.
Man kann den Ahmadiyya, den Sunniten und Schiiten, die in Deutschland Gebetshäuser errichten, mit Kuppeln oder ohne, getrost zur Einweihung gratulieren. Gleichwohl sollte man sie nicht aus der Verantwortung entlassen, sich für gute Nachbarschaft zu engagieren, offen für Diskussionen und Andersdenkende zu sein und sich dadurch zumindest ein Stück weit für die Werte einzusetzen, die die neuen Bauten ermöglichen.
Ob die Jugendlichen der Ahmadiyya in Heinersdorf dann lieber zu Kentucky Fried Chicken oder in die Disko gehen als zum Beten, ob sie sich in zwanzig Jahren noch an die strengen Vorgaben der Imame halten werden, wird man sehen. Dass sich Katholiken und Protestanten durch den demonstrativen Glaubenseifer der Muslime angespornt fühlen, ist schon spürbar. Konkurrenz belebt das Geschäft. Auch in Glaubensdingen.
Süddeutsche Zeitung, 17.10.2008
Minarett im DDR-Refugium
Es ist die erste Moschee Ostdeutschlands. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen wird sie in Pankow eröffnet - und es wird wieder Ärger geben.
Von Constanze von Bullion
Wenn am Donnerstag ein Herr mit Bart und Turban im Berliner Bezirk Pankow auftaucht, dann wird er zwischen einem Fischgroßmarkt und einer Autobahnzufahrt auf einen anderen Herrn mit Bart stoßen. Der erste Bärtige heißt Hadhrat Mirza Masroor Ahmad und ist der fünfte Nachfolger des "Verheißenen Messias".
Der zweite Bärtige heißt Wolfgang Thierse ist kein Heiliger, gibt sich aber gern etwas pastoral und will eine Prozession von 200 Festgästen anführen, die sich aus dem Bundestag, dem Senat, allen demokratischen Parteien und diversen Religionsgemeinschaften auf den Weg gemacht haben, um für Toleranz zu werben. In Pankow wird die erste Moschee Ostdeutschlands eröffnet, eine umstrittene Angelegenheit.
Kein Berliner Moscheebau hat für so scharfe Debatten gesorgt wie der im einstigen DDR-Funktionärsrefugium Pankow. Als 2006 bekannt wurde, dass die islamische Ahmadiyya-Gemeinde hier ein Gebetshaus errichten will, mit weißer Kuppel und Minarett, formierte sich ein Bündnis der Empörten.
Nachbarn fanden, Kopftuchfrauen und Extremisten hätten nichts verloren im Kiez. Es wohne doch kein einziges Gemeindemitglied dort, argumentierte der Anführer einer Bürgerinitiative. Atheisten und Christen kämpften fortan gegen die Fremdgläubigen, unterstützt vom damaligen Kreischef der CDU und der NPD.
Auch bei der Eröffnung wollen die Moschee-Gegner für Stimmung sorgen - ohne NPD, die hat ihre Demo kurzfristig abgesagt. Den Rechtsextremen ist der wichtigste Partner aus dem bürgerlichen Lager weggelaufen.
Die Pankower CDU hat entschieden, das Bündnis "Wir sind Pankow - tolerant und weltoffen" zu unterstützen und mit einer Anwohnerinitiative für Religionsfreiheit zu demonstrieren. Dass die CDU die Marschrichtung ändert, liegt auch daran, dass sie seit einer Weile einen neuen Kreisvorsitzenden hat. Peter Kurth, früher mal Finanzsenator, gehört in seiner Partei zur Diaspora derer, die für Pluralität kämpfen.
Ein zivilgesellschaftliches Bündnis hat da also Bürgerängste und Fremdenfeinde an den Rand gedrängt - einerseits. Andererseits ist die Ahmadiyya-Gemeinde nicht über alle Zweifel erhaben. Die Gruppierung geht auf eine konservative Reformbewegung im Islam zurück, die im 19. Jahrhundert in der gebildeten Mittelschicht der Stadt Lahore begann, die heute in Pakistan liegt.
Muslime forderten dort, den Islam von nationalen Einflüssen zu reinigen und zu seinem wahren Kern zurückzufinden. Die Ahmadis, die in ihrem Gründervater Ghulam Ahmad den neuen Propheten und Messias sahen, wurden von den Muslimen angefeindet, auch weil sie sich der anti-kolonialen Bewegung gegen die britischen Besatzer nicht anschlossen.
Bis heute werden Ahmadis verfolgt, in Pakistan sind sie seit 1974 verboten, gut 30000 flohen als Asylbewerber nach Deutschland, 200 leben in Berlin. Bei Verfassungsschützern gelten sie als harmlos, wirken aber oft wie eine Sekte. Das liege auch daran, dass untereinander geheiratet werde und die Minderheit das Gefühl der Selbstbehauptung nie habe abstreifen können, sagt die Islam-Expertin Claudia Dantschke vom Zentrum für demokratische Kultur. "Es handelt sich nicht um Extremisten, aber auch nicht um liberale Muslime, und es gibt einige problematische Aspekte, die diskutiert werden müssen." Dazu gehöre die Einstellung zu Frauen und Homosexuellen.
Moschee-Gegner, die sich in die Schriften der Ahmadis vertieft haben, fanden Texte, in denen das Schlagen von Frauen als "negative Zärtlichkeit" schöngeredet wird, auf der Homepage behauptete jemand, Schweinefleisch mache homosexuell.
"Das wurde aus dem Zusammenhang gerissen, Gewalt gegen Frauen ist bei uns streng verboten", sagt ein Gemeindesprecher, viele Gemeindemitglieder seien berufstätige Akademikerinnen. Auch das mit den Schweinen und den Schwulen sei "nicht die Position der Gemeinde".
Die Ahmadis werben nun weiter um Verständnis. Der Anführer der Moschee-Gegner, der anfangs dachte, Ahmadiyya sei ein Cappuccino, hat inzwischen den Imam getroffen. Der Mann sei rein menschlich "durchaus ein passabler Großvater für meine Kinder", stellte er fest. Der Imam hat ihn im Gegenzug zur Eröffnung eingeladen. Er wird kommen - und vor der Tür demonstrieren.
Berliner Morgenpost 15.10.2008
Innensenator Körting will mehr Moscheen in Berlin
Mittwoch, 15. Oktober 2008 20:48 - Von Stefan Schulz und Gilbert Schomaker
Ehrhart Körting: Nein. Ich gehe nicht davon aus, dass wir vor Moscheen ständig Polizisten stehen haben müssen. Heinersdorf ist für uns ein wichtiger Fall gewesen, weil dort die Entscheidung über den Bau der Moschee getroffen war. Ich hätte dort übrigens keine Moschee gebaut.
Morgenpost Online: Wieso nicht?
Körting: Wenn ich die religiöse Gemeinde gewesen wäre, wäre ich nicht irgendwo hingegangen, wo die Leute nicht wohnen. Sondern ich hätte dort gebaut, wo die Gemeindemitglieder fußläufig zur Moschee leben. Die Entscheidung für Heinersdorf ist wohl auch aus finanziellen Gründen gefallen, weil das Grundstück günstig war. Aber das ist die Entscheidung desjenigen, der die Moschee baut. Nachdem aber die Entscheidung für Heinersdorf gefallen war, gab es für mich den absoluten Vorrang, dass das nicht boykottiert werden kann. Denn wenn ich einmal in der Stadt zulasse, dass irgendeine Gruppierung sagt, ich will hier keine Moschee oder ich will hier keine Synagoge oder keine katholische Kirche – wenn ich das einmal zulasse, dann begehe ich den Sündenfall. Und diesen Sündenfall darf ich nicht begehen.
Morgenpost Online: Haben Sie denn Verständnis für die Sorgen der Anwohner?
Körting: Ich habe mich mit der Bürgerinitiative dort unterhalten. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Initiative eine rechtsextremistische Organisation ist, um das auch ganz deutlich klarzustellen. Das sind eben Bürger, die ihre Ängste haben.
Morgenpost Online: Liegen ihnen Erkenntnisse vor, dass der Verfassungsschutz die Ahmadiyya-Gemeinde beobachten muss?
Körting: Nein. Das ist eine religiöse Gemeinde, keine extremistische Organisation. Wenn Sie sich einzelnes ansehen von dem, was sie verbreiten, dann würden Sie sie eher in die orthodoxe Richtung packen. Aber das ist im Rahmen der Religionsfreiheit deren Sache. Wenn ich mich entscheide, in einer strenggläubigen Gemeinschaft zu leben, dann entscheide ich mich dafür, das zu tun. Ich kann als Bürger hingehen und fragen, wollt ihr nicht mehr an unserem Leben teilhaben. Aber das ist eine andere Frage.
Morgenpost Online: Was sollten denn Moscheevereine tun, um den Sorgen der Bürger entgegenzuwirken?
Körting: Moscheen sollten sich grundsätzlich mehr öffnen. Wir haben ein gewisses Problem, dass die Moscheen eine relativ geschlossene Gesellschaft für Muslime sind. Ich kann sie auch immer nur ermuntern, mehr zu tun als nur den einen Tag der offenen Tür im Jahr. Ich kann den Imamen nur empfehlen, sich um das Umfeld, sich um die Nachbarn zu kümmern, sich vorzustellen, dem Bäcker zu sagen, ich bin der Imam von der Moschee nebenan, ich würde gern mit Ihnen einen Tee trinken. Sie sollten sich um die sozialen Probleme im Kiez kümmern. Das fehlt leider vielen Imamen. Das fehlt ihnen teilweise auch, weil sie schlecht Deutsch sprechen und nicht hier ausgebildet sind. Es gibt aber auch welche, die offensiv damit umgehen. Die Ahmadiyya-Gemeinde hat in Heinersdorf durchaus Angebote gemacht darzustellen, was sie eigentlich ist.
Morgenpost Online: Sollten die Moscheen ihre Finanzströme offenlegen?
Körting: Ich meine, dass diejenigen, die Neubauten von Moscheen betreiben, möglichst viel Transparenz zeigen sollten, was sie tun und wie sie ihren Neubau finanzieren. Ich glaube, das ist eine vertrauensbildende Maßnahme. Das trifft auf die Ahmadiyya-Gemeinde zu. Sie finanziert sich über Sammlungen und macht das auch deutlich.
Morgenpost Online: Es gibt noch einige andere Anträge auf Neubauten. Provokativ gefragt: Wie viele Moscheen verträgt Berlin?
Körting: So viele, wie Bürger in der Stadt in Moscheen gehen wollen. Mir sind neue, offene Moscheen auch im Hinblick auf die Integration lieber als das, was wir vielfältig sehen: eine Moschee im zweiten Hinterhof eines Fabrikgebäudes. Mir ist es viel sympathischer, wenn man sieht, wie in einer Moschee Menschen wie Du und Ich beten. Das Motto müsste also sein, möglichst viele Hinterhofmoscheen abzuschaffen und durch offene Neubauten zu ersetzen. Wir brauchen mehr Moscheen.
focus online, 15.10.2008
Neue ostdeutsche Moschee eröffnet
Die islamische Ahmadiyya-Gemeinde wird am Donnerstag im Berliner Stadtteil Heinersdorf die erste Moschee auf ostdeutschem Boden eröffnen. Die Eröffnungsfeier wird unter Protesten stattfinden. Die „Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger“ (ipahb) plant einen Protestmarsch.
Zwölf Meter ragt das Minarett in den Himmel, weiß glänzt die Kuppel. Nach jahrelangen Protesten gegen den ersten repräsentativen Moscheeneubau auf ostdeutschem Boden ist es nun am Donnerstag soweit: Das Gotteshaus der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde im Berliner Stadtteil Heinersdorf wird feierlich eröffnet. Zu der Zeremonie unter Polizeischutz werden neben dem Oberhaupt der Religionsgemeinschaft aus London auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und weitere 300 geladene Gäste im Bezirk Pankow erwartet. Gegner und Befürworter des Moscheebaus haben zu Demonstrationen aufgerufen. Seit die Pläne für die Moschee bekannt wurden, stießen sie auf heftigen Widerstand vieler Anwohner. Die Mehrheit der Heinersdorfer sei gegen die Moschee in ihrem Stadtteil, argumentiert die „Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger“ (ipahb), die die Proteste anführt. 20.000 Unterschriften hat sie gegen das Gotteshaus gesammelt. Ihr Protestmarsch am Tag der Eröffnung steht unter dem Motto „Für Demokratie und Menschenrechte, gegen Antisemitismus und Islamismus“. Unterstützt werden die Moscheegegner von Berliner CDU-Lokalpolitikern, aber auch von Rechtsextremen. Sie führen an, dass in Heinersdorf kaum Moslems lebten und kein einziges Mitglied der Ahmadiyya. Nach der Einweihung der Moschee, die Platz bietet für 500 Gläubige, soll sich das allerdings ändern. Der Imam Abdul Basit Tariq kündigte bereits während der Bauarbeiten an, selbst nach Heinersdorf zu ziehen, sobald die Moschee fertig sei. Bislang nutzen die rund 200 Berliner Ahmadis ein unscheinbares Einfamilienhaus im Westberliner Stadtteil Reinickendorf als Moschee. Der Ort für den Neubau sei mit Bedacht gewählt, versichert Gemeindemitglied Isa Musa. Drei Monate vor dem Mauerfall habe der vierte Kalif der Ahmadiyya auf der Ostberliner Seite der Mauer für eine Moschee gebetet. „Deswegen hat Allah für uns diesen Ort ausgesucht.“ Für die Berliner Ahmadis ist der Moscheebau auf einer Brache zwischen S-Bahn-Gleisen, einem Autobahnzubringer, einem Fischgroßhändler und einem Schnellrestaurant ein ehrgeiziges Projekt. Die Baukosten in Höhe von 1,6 Millionen Euro wurden nach Angaben der Gemeinde ausschließlich durch die Spenden weiblicher Mitglieder der Ahmadiyya in Deutschland finanziert. Am Umgang der Religionsgemeinschaft mit den Frauen allerdings entzündet sich auch harsche Kritik. Bei der Ahmadiyya handele es sich um eine „ultra-orthodoxe, frauenfeindliche und totalitäre Organisation“, die ihren Mitgliedern erlaube, ihre Frauen zu schlagen, erklären die Moscheegegner der „ipahb“. Sie bezeichnen die Ahmadiyya als „Sekte“, deren Ziel es sei, „einen islamischen Staat mit der Scharia als Rechtsgrundlage zu errichten“.
Dem Berliner Verfassungsschutz jedoch liegen darüber keine Erkenntnisse vor. Die Gemeinde sei seit 20 Jahren in Berlin aktiv, ohne dass sie als islamistisch aufgefallen sei. Vielmehr sei die „konservativ ausgerichtete“ Gemeinde als „friedliche islamische Sondergruppe einzuschätzen, die von anderen islamischen Gruppen abgelehnt wird“. Orthodoxen Moslems gelten die Ahmadis als Abtrünnige, weil sie nach Mohammed noch einen weiteren Propheten erwarten. In Pakistan werden sie verfolgt. In Berlin-Pankow hoffen die Ahmadis darauf, dass die Heinersdorfer sich nach dem Wirbel um die Moschee an die neuen Nachbarn gewöhnen. „Unsere Aufgabe ist es, die Leute zur Toleranz zu bringen“, sagt Isa Musa.
taz, 15.10.2008
MOSCHEE-EINWEIHUNG MIT DEMO-TRIO
250 Gäste erwartet die Ahmadiyya-Gemeinde am Donnerstag zur Eröffnung ihrer neuen Moschee in Heinersdorf. Dem Anlass ging ein jahrelanger Streit über den Bau voraus. Die Ahmadiyya, die in Berlin etwa 200 Mitglieder hat, ist eine aus Pakistan stammende islamische Glaubensgemeinschaft, die von vielen Muslimen als abtrünnig betrachtet wird. Zur Feier wird neben Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse (SPD) auch der Integrationsbeauftragte Günter Piening erwartet. Ob auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit teilnimmt, ist noch unklar. In der Vergangenheit hatte es einen Brandanschlag auf der Baustelle der Moschee gegeben, auch einen auf das Haus des Moscheegegners René Stadtkewitz (CDU). Drei Demonstrationen sind zur Eröffnung angemeldet: Die Kundgebung "Für ein interkulturelles Pankow" von 14 bis 23 Uhr am Garbaty-Platz sowie der Aufzug "Wir stellen uns quer - Heinersdorfer Bürger knüpfen ein Band für Frieden" von Befürwortern des Moscheebaus. Die Gegner demonstrieren unter dem Motto "Für Demokratie und Menschenrechte, gegen Antisemitismus, Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus" ab 18 Uhr über die Berliner Straße. Die NPD hat die Anmeldung einer Kundgebung gestern zurückgezogen.
Junge Welt, 15.10.2008
Finale in Heinersdorf
Am Donnerstag eröffnet in Pankow die erste Moschee Ostberlins. NPD und rechte Initiative haben Proteste angekündigt. Bürgerbündnis will »Band der Toleranz« knüpfen
Von Lothar Bassermann
Am Donnerstag abend eröffnet im Berliner Stadtteil Pankow-Heinersdorf die Khadija-Moschee. Seit Bekanntwerden des Bauvorhabens der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in der Tiniusstraße vor knapp drei Jahren machen eine sogenannte »interessengemeinschaft pankow-heinersdorfer bürger« (ipahb) sowie die neofaschistische NPD dagegen mobil. Zum Teil kam es zu Aufmärschen mit bis zu 2000 Moscheegegnern. Daher ist es wenig überraschend, daß die ipahb für Donnerstag noch einmal zum Protest aufruft. Zu einer Demonstration »Für Demokratie und Menschenrechte« erwartet der Verein 500 Teilnehmer. Nach platter rassistischer Stimmungsmache mit Warnungen vor lauten Muezzinrufen, Parkplatznot und steigender Kriminalität gibt die ipahb heute vor, »sich kritisch mit dem Islam auseinanderzusetzen«. Der Vorsitzende des Vereins, Joachim Swietlik, sagte am Montag gegenüber der Berliner Zeitung: »Wir kämpfen nicht gegen die Moschee und auch nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Ideologie der Ahmadiyya-Gemeinde«. Dabei bezieht sich die ipahb stets positiv auf den der rassistischen Partei »Pro Köln« nahestehenden Weblog »Politically Incorrect«. Auf der anderen Seite wird die tiefe Freundschaft zum evangelischen Heinersdorfer Pfarrer Andreas Kaehler herausgestellt und der Schulterschluß mit der lokalen CDU gesucht. Die NPD hat für Donnerstag nahe des Moscheegeländes eine »Mahnwache« unter dem Motto »Nein zur Islamisierung! Moschee zurückbauen!« angekündigt. Ein Polizeisprecher teilte auf Anfrage von junge Welt mit, daß das Anmeldergespräch für die Aktion noch laufe und der genaue Ort bisher unklar sei. Paul Fritsch von der »Emanzipativen Antifaschistischen Gruppe« (EAG) sieht die ausbleibende Werbung für die NPD-Veranstaltung hingegen als Indiz dafür, daß sich die Partei erneut der ipahb-Demonstration anschließen will und auf die eigene, von 18 bis 23 Uhr geplante Kundgebung verzichtet. Zur letzten NPD-Mahnwache seien nur zehn Neonazis erschienen, so Fritsch. Auch mit der aktuellen Anmeldung wolle sich die Partei nur ins Gespräch bringen. »Die NPD hat es noch immer nicht verkraftet, daß ihr die ipahb die Show stiehlt«, so Fritsch gegenüber jW weiter. Die ipahb trifft sich um 18 Uhr an der Kreuzung Prenzlauer Promenade/Ecke Granitzstraße und plant, durch Pankows Zentrum vor das Rathaus in der Breiten Straße zu ziehen. Zum Protest gegen die rassistische Hetze ruft ein Bündnis auf, in dem sich die Arbeiterwohlfahrt Nordost, die Zukunftswerkstatt Heinersdorf, der Verein »Wir sind Pankow« sowie die Parteien Die Linke, SPD, CDU, FDP und Grüne zusammengefunden haben. Sie wollen »ein buntes Band für Vielfalt und Toleranz« knüpfen. Treffpunkte dafür sind um 17 Uhr an der Rothenbach-/Ecke Romain-Rolland-Straße und im Kiez Berliner Straße, Romain-Rolland-Straße, Neukirchstraße. Während sich die meisten Gruppen des Bündnisses, darunter die CDU, allein gegen die Aktivitäten der NPD aussprechen, erklärten andere Initiativen, darunter auch die Pankower Ortsgruppe von Die Linke, daß sich ihr Protest ausdrücklich auch gegen die ipahb richte. Die Polizei will mit mehreren Hundertschaften anrücken und hat angekündigt, umfangreiche Personenkontrollen durchzuführen.
taz, 15.10.08
Islam-Gegner formieren sich
Berliner CDU-Abgeordneter gründet eine Zweigstelle von "Pax Europa" in Berlin - ein Verein, der Europa vor der Islamisierung retten will. VON ANTJE LANG-LENDORFF UND ALKE WIERTH
Letzte Arbeiten am Gebetsraum der Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf. Foto: DPA
Die Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf konnten sie nicht verhindern. Jetzt setzen sich deren Gegner höhere Ziele: Nach Informationen der taz gründeten sie Ende September in Spandau einen Berlin-Brandenburgischen Landesverband der Organisation "Pax Europa". Die hat sich dem Kampf gegen die "schleichende Islamisierung Europas" verschrieben.
250 Gäste erwartet die Ahmadiyya-Gemeinde am Donnerstag zur Eröffnung ihrer neuen Moschee in Heinersdorf. Dem Anlass ging ein jahrelanger Streit über den Bau voraus. Die Ahmadiyya, die in Berlin etwa 200 Mitglieder hat, ist eine aus Pakistan stammende islamische Glaubensgemeinschaft, die von vielen Muslimen als abtrünnig betrachtet wird. Zur Feier wird neben Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse (SPD) auch der Integrationsbeauftragte Günter Piening erwartet. Ob auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit teilnimmt, ist noch unklar. In der Vergangenheit hatte es einen Brandanschlag auf der Baustelle der Moschee gegeben, auch einen auf das Haus des Moscheegegners René Stadtkewitz (CDU). Drei Demonstrationen sind zur Eröffnung angemeldet: Die Kundgebung "Für ein interkulturelles Pankow" von 14 bis 23 Uhr am Garbaty-Platz sowie der Aufzug "Wir stellen uns quer - Heinersdorfer Bürger knüpfen ein Band für Frieden" von Befürwortern des Moscheebaus. Die Gegner demonstrieren unter dem Motto "Für Demokratie und Menschenrechte, gegen Antisemitismus, Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus" ab 18 Uhr über die Berliner Straße. Die NPD hat die Anmeldung einer Kundgebung gestern zurückgezogen.
Vorsitzender des neuen Landesverbandes ist der CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, einst Kreischef der Pankower Christdemokraten und lautstarker Kritiker der Heinersdorfer Moschee. Sein Stellvertreter: Joachim Swietlik, Chef der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb), die neben der NPD am heftigsten gegen den Bau des islamischen Gotteshauses protestierte.
Pax Europa hat einen zweifelhaften Ruf: Unter dem Motto "Für Europa - gegen Eurabien" warnen die Islam-Kritiker um den Journalisten Udo Ulfkotte vor der "faschistoiden Ideologie" des Islams und dessen "Bestrebungen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung langfristig zugunsten islamisch geprägter Interessengruppen zu verändern". Der Verein wird zwar vom Verfassungsschutz nicht als extremistisch eingestuft und ist sogar als gemeinnützig anerkannt. Offiziell grenzt sich Pax Europa von "Ausländerfeinden" und "Rechtsextremisten" ab.
Doch Kenner sehen das anders: Pax Europa sei zwar keine rechtsextreme Gruppierung, meint Claudia Dantschke, Islamismus-Expertin am Zentrum demokratische Kultur. Aber die Mitglieder nutzten die gleichen Argumente. "Ich halte sie deshalb sogar für gefährlicher", so Dantschke. "Sie greifen dieselben Ängste auf und schüren sie weiter. Indem sie sich öffentlich von Rechtsextremen distanzieren, gelingt es ihnen, deren Diskurs in die Mitte der Gesellschaft zu tragen."
Stadtkewitz weist den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit weit von sich. "Ich wende mich nur gegen eine fundamentalistische Ideologie", so Stadtkewitz zur taz. Jeder Mensch sei in Deutschland willkommen, er müsse aber die Regeln einhalten. "Wer das nicht tut, hat hier keinen Platz." Mit Pax Europa wolle er über Probleme wie Zwangsheiraten und die Rolle muslimischer Frauen aufklären - etwa in Podiumsdiskussionen. "Gerade in Berlin sind die Folgen der sich ausbreitenden islamischen Ideologien in vielen Bezirken unübersehbar."
Mit seinen Positionen erntet Stadtkewitz auch Kritik aus der eigenen Partei. Heinrich Bücker-Gärtner, stellvertretender Vorsitzender der Pankower CDU von 2001 bis 2005, hält das Engagement seines Parteikollegen für bedenklich. "Für mich zeichnet sich schon länger ab", sagt Bücker-Gärtner der taz, "dass Herr Stadtkewitz sich in eine Richtung entwickelt, die für eine Volkspartei nicht länger akzeptabel ist."
Die Islamgegner formieren sich unterdessen weiter: Auch die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro Deutschland" will künftig in der Hauptstadt aktiv werden. "Wir werden in Berlin im nächsten Jahr einen Landesverband gründen", sagt deren Chef Manfred Rouhs.
Berliner Morgenpost, 14.10.2008
NPD sagt Aufmarsch gegen Moschee ab
Von Sabine Flatau
Am Donnerstag ist es so weit, dann wird die erste Moschee in Ostberlin eröffnet. 500 Menschen werden gegen die Ideen der Ahmadiyya-Gemeinde demonstrieren, doch die rechtsextreme NPD hat ihre Protestaktion abgesagt. Ein breites Bündnis für Toleranz wird an dem Tag ebenfalls aktiv sein.
Die bevorstehende Eröffnung der Moschee in Heinersdorf sorgt nicht nur bei den Bauarbeitern und bei der Ahmadiyya-Gemeinde für Anspannung. Auch die Parteien und Vereine in Pankow bereiten ihren Auftritt am 16. Oktober vor. Die NPD hat indes ihre Demonstration abgesagt. Diese war für 50 Teilnehmer angemeldet. Gründe für die Absage seien nicht bekannt, sagte ein Polizeisprecher.
Morgenpost Online
„Die Absage ist positiv“, sagt der Pankower Grünen-Abgeordnete Andreas Otto. Allerdings befürchte er, dass sich die NPD-Anhänger der Demonstration der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (IPAHB) anschließen werden. Sie ist ab 18 Uhr für 500 Teilnehmer angemeldet und soll an der Prenzlauer Promenade Ecke Granitzstraße stattfinden. Die Erziehungswissenschaftlerin Hiltrud Schröter ist als Hauptrednerin angekündigt.
Ein buntes Band für Vielfalt und Toleranz und gegen Ausgrenzung wollen die Zukunftswerkstatt Heinersdorf und die Initiative „Wir sind Pankow“ knüpfen. Es solle sich durch die Straßen von Heinersdorf ziehen, kündigt Irene Beyer an, die das Vorhaben koordiniert. Es ist für 500 Teilnehmer angemeldet. Es handele sich nicht um eine Veranstaltung für die Moschee, sondern gegen Ausgrenzung und populistische Stimmungsmache. „Wir sind erleichtert über die Absage der NPD-Demonstration“, sagt auch Irene Beyer. „Aber an unserer Initiative ändert das nichts.“
Das Bezirksamt Pankow und die Bezirksverbände von SPD, Linken, Grünen, CDU und FDP unterstützen dieses Vorhaben. „Pankow ist nicht mit der IPAHB zu identifizieren“, sagt BVV-Vorsteher Burkhard Kleinert (Linke). Es müsse möglich sein, Religion frei auszuüben.
„Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine heftige Auseinandersetzung in Pankow geführt“, resümiert Bürgermeister Matthias Köhne (SPD). „Es war ein Lernprozess für viele.“ Nicht die Ahmadiyya-Gemeinde bedrohe den Frieden im Bezirk, sondern der Umgang mit ihr. „Es ist erschreckend, dass der Protest der Interessengemeinschaft gegen die Moschee auf fruchtbaren Boden fällt“, sagt Köhne. Er hoffe, dass die Demonstration der IPAHB „ein letztes Aufbäumen“ gegen die Existenz des muslimischen Gotteshauses sei. Bürgermeister Köhne wird bei der Eröffnung der Moschee sprechen. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) ist als Redner angekündigt.
Der Tagesspiegel, 14.10.2008
CDU steigt aus Anti-Moschee-Bündnis aus
Die Anhängerschaft der Moschee-Gegner in Pankow bröckelt weiter: Auch die CDU gibt ihren Widerstand gegen den Bau der Ahmadiyya-Moschee auf. Gemeinsam mit der SPD, Linken, Grünen und FDP unterstützt die Union nun die Initiative "Wir sind Pankow - tolerant und weltoffen".
Die Gegner der neuen Moschee in Pankow, die am Donnerstag feierlich eröffnet wird, haben ihre letzten Unterstützer aus dem Lager der demokratischen Parteien verloren. Die Pankower CDU hat sich jetzt mehrheitlich jenen Parteien angeschlossen, die sich dafür einsetzen, die umstrittene Moschee zu akzeptieren. Neben SPD, Linken, Grünen und FDP unterstützt nun auch die Union die Initiative "Wir sind Pankow - tolerant und weltoffen", die gemeinsam mit anderen Gruppen am Donnerstag zu einer Demonstration für die Religionsfreiheit aufruft. Proteste gegen die Pankower Moschee hatten sowohl die rechtsextreme NPD als auch die Bürgerinitiative Ipahb angemeldet. Die NPD zog ihre Anmeldung jedoch gestern zurück, teilte die Polizei auf Anfrage des Tagesspiegel mit. (Tsp)
Der Tagesspiegel, 14.10.2008
Spannung vor Moschee-Eröffnung in Heinersdorf
Jahrelang erhitzte der geplante Bau einer Moschee in Pankow-Heinersdorf die Gemüter. Am Donnerstag soll sie eröffnet werden - Gegner und Befürworter haben Aktionen angekündigt.
Das neue Gotteshaus liegt zwischen einem Fast-Food-Imbiss, einer preiswerten Kfz-Werkstatt und mehreren Tankstellen nahe einer Autobahnauffahrt. Die Wohnhäuser ringsum sind schlicht, manche wirken mit ihrem blätternden Putz schäbig. Nun gibt es einen Neubau im Kiez. Am Donnerstag wird die neue Khadija-Moschee mit einem Festakt eröffnet wird. Mit der Einrichtung der Ahmadiyya-Gemeinschaft gibt es erstmals ein neugebautes muslimisches Gotteshaus im Osten Berlins. Zur feierlichen Einweihung werden Prominente aus Politik und Gesellschaft erwartet. Zeitgleich haben Unterstützer und Kritiker der Niederlassung der Ahmadiyya-Gemeinde eigene Aktionen angekündigt. Auch die Polizei bereitet sich auf einen größeren Einsatz im nördlichen Stadtteil der Hauptstadt vor.
Imam heißt Anwohner willkommen
"Alle Bürger von Heinersdorf sind zur Eröffnung willkommen", sagte der Imam der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Berlin-Heinersdorf, Abdul Basit Tariq. Außerdem sei für die nächste Woche ein Tag der Offenen Tür geplant. Die Ahmaddiyyas wollen nach den Worten des Imams friedlich mit den Anwohnern in Pankow-Heinersdorf zusammenleben. Das Bauprojekt hatte seit Jahren die Gemüter erhitzt. Schon vor Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2007 gab es immer wieder Proteste, Demonstrationen und Ausschreitungen, die sich gegen die Anhänger der Ahmadiyya - eine Reformbewegung des Islam - und deren Moscheebau richteten. Aber auch Sympathisanten schlossen sich zu einer Initiative zusammen. Unter dem Motto "Wir stellen uns quer" hat die Initiative für Donnerstag einen Aufzug organisiert. Der Bürgerverein "Zukunftswerkstatt Heinersdorf" und die Initiative "Wir sind Pankow: tolerant und weltoffen", zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt Berlin Nordost sowie der Heinersdorfer Grundschule, wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen für Religions- und Bekenntnisfreiheit sowie mehr Toleranz setzen.
Bürgerverein will "Band des Friedens" knüpfen
Den Aufruf "Wir stellen uns quer" unterstützen die Pankower Bezirksverbände der CDU, SPD, FDP, der Grünen und der Linken. Die Teilnehmer des Aufzugs sollen bunte Stoffbänder mitbringen. Diese sollen aneinander geknüpft ein Band des Friedens ergeben, wie die Vorsitzende des Bürgervereins "Zukunftswerkstatt Heinersdorf", Sandra Caspers erläuterte. "Wir stehen der Ahmadiyya-Gemeinschaft und dem Moscheebau zwar kritisch, aber tolerant gegenüber", sagt Caspers. Gegen die Eröffnung will hingegen die Interessengemeinschaft Heinersdorfer Bürger (ipahb), die sich als Reaktion auf den Moscheebau 2006 gründete, demonstrieren. Unter dem Motto "Für Demokratie und Menschenrechte - Gegen Antisemitismus, Islamismus und Rechts- und Linksextremismus" hat die ipahb einen Aufzug mit etwa 500 Teilnehmern bei der Polizei angemeldet, wie ein Behördensprecher mitteilte. Die Interessengemeinschaft kritisiert nach eigenen Angaben nicht den Bau der Moschee, sondern die Ideologie, das Menschen- sowie Frauenbild der Ahmadiyya.
Fünfte Ahmadiyya-Moschee in Deutschland
Auch die NPD will gegen die Moschee und ihre Besucher Stimmung machen. Die Rechtsextremisten lehnen das Gotteshaus generell ab und planen in der Nähe eine Mahnwache. Imam Tariq will auf die Proteste nicht reagieren: "Wir alle haben Glaubens- und Meinungsfreiheit, deshalb werden uns die Demonstrationen unberührt lassen." Etwa 250 geladene Gäste, unter ihnen Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) und der 5. Kalif der Gemeinschaft, Hadrat Mirza Masroor Ahmad, aus London, erwartet der Imam zu den Feierlichkeiten. Eröffnet wird die Veranstaltung mit einer Lesung aus dem Koran sowie Ansprachen von Wowereit, Thierse und des Pankower Bürgermeisters Matthias Köhne (SPD). Sprechen wird auch der Kalif. Die Moschee ist das fünfte Gotteshaus der Ahmadiyya-Gemeinschaft, nach Stade, Hannover, Rodgau und Weil an der Stadt, das in diesem Jahr in Deutschland eröffnet wurde. Die Gemeinde zählt etwa 250 Mitglieder in Berlin, in ganz Deutschland sollen ihr bis zu 30.000 Menschen angehören. (ho/ddp)
Berliner Zeitung, 13.10.2008
Gebete unter Polizeischutz
In Heinersdorf wird die erste Moschee Ostdeutschlands eröffnet - nicht ohne Protest
Stefan Strauss
Unter großem Polizeischutz wird am Donnerstag und Freitag die erste Moschee Ostdeutschlands im Pankower Ortsteil Heinersdorf eröffnet. Noch nie zuvor wurde in Berlin so vehement für und gegen den Bau eines Gotteshauses gekämpft. Und so haben Gegner und Befürworter der Moschee gleich vier Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet. Auch die rechtsextreme NPD ist dabei. Am Donnerstag hält sie eine Mahnwache unter dem Motto "Nein zur Islamisierung! Moschee zurückbauen!"
Anwohner und Autofahrer müssen an den beiden Tagen mit "umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen" rechnen, sagte ein Polizeisprecher. Mehrere hundert Polizisten und Zivilbeamte sind im Einsatz, um Störungen zu vermeiden. Die Tiniusstraße ist an beiden Tagen für Autos gesperrt, Anwohner werden kontrolliert.
Zur Eröffnungsfeier am Donnerstagabend sind etwa 300 Gäste geladen, darunter das geistige Oberhaupt der Gemeinde, der 5. Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad aus London, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) sowie zahlreiche Bundestags- und Kommunalpolitiker.
Am Freitag hält der Kalif vor 600 Gläubigen aus Deutschland das Freitagsgebet. Der Fernsehsender "Muslim TV Ahmadiyya" überträgt die Feierlichkeiten weltweit. "Eine Moschee auf deutschem Boden zu errichten ist ein Symbol an die Welt, dass hier Glaubens- und Religionsfreiheit gewährleistet sind", sagt der Imam der Gemeinde, Abdul Basit Tariq. Mit seiner Frau zieht er in das Wohn- und Gästehaus der Gemeinde neben der Moschee.
Im Laufe von zwei Jahren hat die Ahmadiyya Muslim Gemeinde den 1,6 Millionen teuren Neubau mit einem zwölf Meter hohen Minarett auf dem Grundstücke einer früheren Sauerkrautfabrik gebaut. Von Beginn an gab es Proteste. "Der größte Teil der Heinersdorfer ist gegen die Moschee", sagt Joachim Swietlik, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb). Am Donnerstag erwartet die Initiative zu ihrer Kundgebung unter dem Motto "Gegen Antisemitismus und Islamismus sowie gegen Rechts- und Linksextremismus" 500 Teilnehmer. "Wir kämpfen nicht gegen die Moschee und auch nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Ideologie der Ahmadiyya Gemeinde", sagt Swietlik. Der Islam sei nicht nur der Glauben an sich, sondern die Idee eines Gesellschaftssystems, die das heutige System ablösen werde. So habe er es in den Schriften des Islam gelesen.
Die Moschee-Gegner kritisieren, die Ahmadiyya Gemeinde vertrete "antidemokratische, antijüdische und rassistische Ansichten". In Veröffentlichungen ist zu lesen, vom Verzehr von Schweinefleisch könne man schwul werden und Ahmadiyya-Mitglied Hadayatullah Hübsch propagiert in seinen Buch "Islam 99" Gewalt gegen Frauen: "Leichte Züchtigung der Frau" nennt er das. Mit "negativen Zärtlichkeiten" sollten Männer ihren Ehefrauen die Grenzen zeigen. Das Buch kann man im Internet kaufen.
206 Männer und Frauen gehören in Berlin zur Ahmadiyya Gemeinde, 30 000 Gemeindemitglieder leben in Deutschland, mehrere Millionen sind es weltweit. Seit 20 Jahren nutzt die Berliner Gemeinde ein Wohnhaus in Reinickendorf für ihre Gebete. Die Gemeinde gilt als konservativ und friedliebend, der Verfassungsschutz schätzt sie weder als extremistisch noch als gewalttätig ein. "Liebe für alle, Hass für keinen", lautet das Motto. Die Ahmadiyya Gemeinde betont, sie verfolge keine politischen Ziele, stehe für die Trennung von Staat und Religion und sei eine spirituelle Gemeinde. 100 Moscheen will sie in Deutschland errichten, das Gotteshaus in Heinersdorfer ist die 25., die nächste wird zwischen Leipzig und Dresden errichtet.
"Es wäre besser gewesen, die Moschee wäre nicht in Heinersdorf gebaut worden", sagt Andreas Kaehler, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Heinersdorf, zu der etwa 900 Mitglieder gehören. "Die Ansichten der Gemeinde haben die Menschen hier verunsichert und irritiert", sagt der Pfarrer. Imam Tariq will das ändern. "Es gibt immer noch unbegründete und diffuse Ängste gegen den Islam", sagt er. Die Moschee werde jeden Tag allen Menschen offen stehen. Im November plant die Gemeinde "Tage offenen Tür" mit Vorträgen, Gesprächsrunden und Führungen. "Jeder kann sehen, hier werden keine Terroristen geschult", sagt der Imam.
Doch die Gemeinde hat nicht nur Gegner. Linke Gruppen treten am Donnerstag am Garbatyplatz für ein "interkulturelles Pankow" ein, die Initiativen Zukunftswerkstatt Heinersdorf und "Wir sind Pankow: tolerant und weltoffen" tragen "ein buntes Band für Vielfalt und Toleranz" durch Heinersdorf. "Die Ahmadiyya Gemeinde vertritt nicht unser Weltbild, doch wir können friedlich miteinander leben", sagt Sandra Caspers, Vorsitzende der Zukunftswerkstatt.
Der Tagesspiegel, 13.10.2008
„Kommen Sie doch mal zum Abendessen“
Von Claudia Keller und Lars von Törne
Am Donnerstag eröffnet die umstrittene Ahmadiyya-Gemeinde ihre Moschee in Pankow. Der Tagesspiegel bat den Imam und den Vorsitzenden der gegnerischen Bürgerinitiative zum Gespräch. Dabei gab es eine vorsichtige Annäherung - doch protestieren wollen die Moscheegegner weiterhin.
Am Donnerstag wird die Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf eingeweiht. Herr Tariq, haben Sie Herrn Swietlik zur Eröffnungsfeier eingeladen?
Imam Abdul Basit Tariq: Ich habe ihm eine Einladung mitgebracht und würde mich freuen, wenn er sie annimmt.
Joachim Swietlik: Das kann ich leider nicht. Wir als Bürgerinitiative werden an diesem Abend demonstrieren.
Sie wollen gegen die Eröffnung der Moschee demonstrieren?
Swietlik: Ja. Ich habe nichts gegen Herrn Tariq. Er wäre von seiner menschlichen Ausstrahlung her durchaus ein passabler Großvater für meine Kinder. Aber er ist eben auch der Vertreter einer Ideologie, die wir bekämpfen. Aus Büchern der Ahmadiyya haben wir den Eindruck gewonnen, dass es nicht nur um Religion geht, sondern auch um staatliche Anliegen.
Aber am Donnerstag geht es um die Eröffnung einer konkreten Moschee. Sie haben Jahre lang gegen den Bau gekämpft. Ihr Anliegen ist gescheitert. Warum lassen Sie es nicht dabei bewenden?
Swietlik: Wir bekämpfen ja nicht das pure Bauwerk, das sind nur aufgestapelte Steine. Es gibt bei uns auch welche, denen gefällt der orientalische Baustil mit Kuppel. Es geht um das Weltbild dahinter. Zum Beispiel um die Einstellung zu Frauenrechten. 2006 hat der Ahmadiyya-Kalif geschrieben, eigentlich dürfen die Männer die Frauen nicht schlagen, aber wenn die Männer bestimmte Schritte verfolgt haben und die Frau ist dann immer noch nicht gehorsam, dann dürfen sie sie schlagen. Aber sie sollen es so tun, dass es auf dem Körper der Frauen keine Spuren hinterlässt. Da ist doch Klärungsbedarf!
Tariq: Man darf Zitate nicht aus ihrem Kontext reißen. Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang der Kalif das gesagt hat. Der Begründer der Ahmadiyya-Gemeinde sagte: Frauen sind nicht Eure Sklavinnen, sondern Eure Gefährtinnen. Es sei eine außerordentliche Feigheit und Unverschämtheit, wenn ein Mann seine Hand gegen eine Frau erhebt. Herr Swietlik, Sie haben so viele Schriften der Ahmadiyya gelesen, warum haben Sie dieses Zitat nicht gelesen? Wenn ein Mann der Ahmadiyya seine Frau schlägt, dann wird er exkommuniziert. Das ist passiert, auch in Berlin einmal. Unsere Frauen sind Königinnen zuhause, sie sind überglücklich. Ihnen stehen alle Wege offen. Sie sind Juristinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen, die Moschee wurde von einer Architektin gebaut.
Warum gibt es dann keine weiblichen Imame?
Tariq: Es gibt auch keine weiblichen Propheten. Wäre Jesus eine Frau gewesen, sie hätte Unglaubliches ertragen müssen. Frauen müssen froh sein, dass Gott sie von den Härten verschont. Der Islam hat die Aufgaben verteilt. Die harte Arbeit heißt: Der Mann soll das Geld verdienen. Das heißt nicht, dass nicht auch die Frauen rausgehen und arbeiten sollen, wenn der Mann krank ist.
Sie sehen das anders, Herr Swietlik. Aber hat nicht jeder das Recht, nach seiner Facon selig zu werden?
Swietlik: Im Rahmen des Gesetzes sicherlich. Aber diese Rollenverteilung ist nicht das, was wir uns heute hier unter Gleichberechtigung vorstellen. Sie bezeichnen sich als „Reform-Gemeinde“ innerhalb des Islam. Warum empfehlen Sie dann nicht ihren jungen Frauen, das Kopftuch abzunehmen? Die Frau wird doch in unserer Gesellschaft nicht zum Sexualobjekt, wenn sie ihre Haare offen trägt. Ohne Kopftuch würden die Frauen viel einfacher Jobs finden.
Tariq: Herr Swietlik erwartet, dass wir die Lehre des heiligen Koran modernisieren. Aber wir Muslime müssen akzeptieren, was uns Gott durch den heiligen Propheten gesagt hat. Das Kopftuch ist für uns ein Ausdruck der inneren Kraft einer Frau. Damit zeigt sie: Ich bin überzeugte Muslima, ich kann gegen den Strom schwimmen, egal was die deutsche Gesellschaft dazu sagt. Es ist also kein Zeichen der Unterdrückung, sondern ein Zeichen der Stärke. Aber es gibt keinen Zwang, das Kopftuch zu tragen. Wer es nicht trägt, wird nicht bestraft.
Swietlik: Aber es gibt in den Familien unausgesprochene Gesetze und Druck auf die Frauen.
Das betrifft in erster Linie Mitglieder der muslimischen Gemeinde. Befürchten Sie, dass die Ahmadiyya andere Menschen in Heinersdorf zwingen will, ebenfalls nach ihren Maßstäben zu leben?
Swietlik: Nein. Allerdings ist die Ahmadiyya-Gemeinde eine islamische Richtung, die aktiv missioniert. Die Berliner Moschee wurde auch nicht vorrangig für die Berliner Gemeindemitglieder gebaut, sondern als Tor zum Osten, als Prestigeobjekt. Die Ahmadiyya kann jetzt für alle Zeiten für sich behaupten, die erste Moschee in Ost-Berlin gebaut zu haben.
Was ist daran schlimm?
Swietlik: Wer sich mit den Schriften der Ahmadiyya beschäftigt, merkt, dass es um mehr geht als um die Privatsache Religion. Das fängt bei der Indoktrination von Kindern an. Wir haben Schriften gefunden, in denen der gemeinsame Schulweg von achtjährigen Kindern als problematisch eingestuft wird. Oder ein anderer Aufsatz eines hochrangigen Gemeindemitglieds, der begründet, warum Mädchen auf Klassenfahrten nicht mitfahren dürfen. Oder Fälle, wo Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen durften.
Tariq: Das stimmt nicht. Es gibt tausende Ahmadiyya-Mädchen und -Jungen, die gemeinsam in deutschen Schulen und Universitäten studieren. Auch gehen unsere Jugendlichen auf Klassenfahrten. Einige Mädchen wurden aber von Jungen belästigt. Man muss im Einzelfall entscheiden, was am besten für das Kind ist.
Aber verstehen Sie, Herr Tariq, dass es Menschen in Deutschland irritiert, wenn für Mädchen andere Maßstäbe angelegt werden als für Jungen?
Tariq: Ja, das verstehe ich. Aber wenn ein Mädchen ihre Pubertät erreicht, darf sie ihren Körper aus islamischer Sicht nicht vor Jungen zeigen. So ist das nun einmal.
Frauen dürfen dann nur mit anderen Frauen schwimmen?
Tariq: Ja. In Frankfurt haben wir das so gelöst, dass Ahmadiyya-Frauen Baden gehen, wenn es spezielle Schwimmzeiten für Frauen gibt. Das ist kein Problem.
Welche Rolle werden die Frauen bei der Eröffnungsfeier Ihrer Moschee spielen?
Tariq: Eine sehr große Rolle.
Swietlik: Naja, wenn ich da an die Grundsteinlegung denke. Da gab es ein Festzelt für die Männer, und die Frauen durften die Feier nur aus einem anderen Zelt verfolgen, in dem die Reden per Lautsprecher übertragen wurden. Auch in der Moschee gibt es getrennte Bereiche für Männer und Frauen.
Ist das nicht diskriminierend , Herr Tariq?
Tariq: Das ist keine Diskriminierung. Wir haben diese Trennung beim Beten und bei manchen anderen Veranstaltungen aus gutem Grund. Die Frauen fühlen sich freier und wohler. Wenn Männer und Frauen beim Gebet zusammenstehen, kann es passieren, dass bei der Berührung mit einer fremden Frau unsere Gedanken in die falsche Richtung gehen.
Herr Swietlik, Sie berufen sich immer auf die Schriften der Gemeinde. Treffen Sie sich auch mit Mitgliedern der Gemeinde?
Swietlik: Herr Tariq und ich treffen uns heute zum zehnten Mal. Wir haben uns bei mehreren moderierten Runden getroffen, aber privat noch nicht. Herr Tariq hatte mich mal eingeladen. Aber das ist daran gescheitert, dass ich gerne zusammen mit meiner Frau kommen und die dann auch bei dem Treffen dabei sein wollte. Aber da hat Herr Tariq gesagt: Nein, die Frauen können sich separat zusammensetzen oder in der Küche über ihre Themen reden, und wir reden im Wohnzimmer über unsere Themen.
Tariq: Das stimmt. Es gibt eben bestimmte Regeln, die wir achten. Die müssen aber kein Hindernis für eine Freundschaft sein. Sie könnten mich doch mal alleine in meiner neuen Wohnung neben der Moschee zum Abendessen besuchen.
Herr Swietlik, ab Donnerstag ist die Moschee in Pankow eröffnet. Werden Sie Ihre Bürgerinitiative auflösen?
Swietlik: Wir werden weitermachen. Genauso wie Herr Tariq mit seiner Gemeinde sein demokratisches Recht genutzt hat, dieses Bauwerk zu errichten, werden wir weiter unser Recht wahrnehmen und informieren, wofür die Ahmadiyya stehen und dagegen protestieren.
Herr Tariq, werden Sie weiter auf Ihre neuen Nachbarn zugehen?
Tariq: Wir werden im November Tage der offenen Moschee feiern, zu denen wir Nachbarn und alle Berliner einladen.
Herr Swietlik, werden Sie hingehen?
Swietlik: Ich kann es nicht grundsätzlich ausschließen.
Informationen zur Moschee
Seitdem im Frühjahr 2006 bekannt wurde, dass die Berliner Ahmadiyya-Muslimgemeinde eine Moschee in Pankow bauen will, gibt es Widerstand. Rechtsextreme Organisationen wie die NPD demonstrierten gegen den Mosscheebau, aber auch ein Bündnis bürgerlicher Moschee-Gegner, die „Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger“ (Ipahb), die von der CDU unterstützt wird. Die Ipahb sieht in der auch in der muslimischen Gemeinschaft isolierten Ahmadiyya eine Sekte und lehnt die erzkonservative Weltsicht der Gemeinde ab. Die Ahmadiyya-Gemeinde, die bisher ein Einfamilienhaus in Reinickendorf als Gotteshaus nutzt, ließ sich nicht beirren und eröffnet diesen Donnerstag und Freitag ihre Moschee an der Tiniusstraße, neben der Autobahnauffahrt in Nord-Pankow. Proteste gegen die Eröffnung haben die Ipahb und die NPD angemeldet. Linke Gruppen und der Bürgerverein "Zukunftswerkstatt für mehr Toleranz“ wollen ihrerseits mit einer Demo Flagge gegen die Moschee-Gegner zeigen.
Berliner Morgenpost, 13.10.2008
Moschee-Eröffnung: NPD will demonstrieren
Von Sabine Flatau und Katrin Lange
Die Eröffnung der Khadija-Moschee in Heinersdorf am 16. Oktober ruft Befürworter und Gegner auf den Plan. Für den gleichen Tag sind mehrere Aktionen in Pankow angekündigt. Wie die Polizei gestern bestätigte, hat die NPD für den Eröffnungstag "einen Aufzug beziehungsweise eine Kundgebung" angemeldet.
Geplant ist offenbar eine Mahnwache in der Tiniusstraße. Auch die Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (IPAHB) ruft am kommenden Donnerstag, um 18 Uhr, zu einer Demonstration gegen die Eröffnung des Gotteshauses auf, das die Gemeinde der Ahmadiyya Muslim Jamaat gebaut hat.
Die IPAHB wollte den Moscheebau verhindern. Der Pankower CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz, ist Mitglied der Interessengemeinschaft. "Wir stellen uns gegen die Mahnwache der NPD", sagt er. Sie habe nichts mit dem Protest der Heinersdorfer Bürger zu tun. Es gebe "nach wie vor Unverständnis darüber, dass die Moschee an diesem Standort errichtet wird." Stadtkewitz kritisiert, es sei bis heute nicht zum Dialog zwischen der Ahmadiyya-Gemeinde und den Anwohnern gekommen. Es werde von den Heinersdorfern nicht als Bereicherung empfunden, wenn immer mehr Frauen mit Kopftuch durch den Ort laufen würden. Das Tuch stehe nicht für die freie Entscheidung der Frau. "Es ist Symbol ihrer Unterdrückung."
Ein buntes Band für Vielfalt und Toleranz wollen die Initiative "Wir sind Pankow: tolerant und weltoffen" und die Zukunftswerkstatt Heinersdorf e.V. am 16. Oktober ab 17 Uhr knüpfen. Es soll sich durch die Straßen von Heinersdorf ziehen. "Wir werden den Versuch, in unserem Bezirk gezielt Ängste vor fremden Kulturen zu schüren und politisch zu missbrauchen, nicht hinnehmen", sagte gestern Irene Beyer von der Initiative "Wir sind Pankow". Die Zukunftswerkstatt hat gemeinsam mit der AWO Nordost und der Grundschule Am Wasserturm einen Aufruf gestartet. Er wird unterstützt von den Pankower Bezirksverbänden der CDU, der FDP, der Grünen, der Linken und der SPD.
Die Initiative "Wir sind Pankow" entstand 2006 im Zuge der Auseinandersetzungen um das Moscheebauprojekt der Ahmadiyya-Gemeinde. Das Gotteshaus war von Beginn an unter Anwohnern umstritten. Im Frühjahr 2007 brannte ein Kipplaster auf dem Grundstück an der Tiniusstraße. Im Juni 2007 zogen die Moscheegegner in einer Demonstration durch Pankow. Den jüngsten Zwischenfall hatte es Anfang Juli 2008 gegeben. Unbekannte beschmierten die Kuppel der Moschee mit Naziparolen. Regelmäßig fahren Streifenwagen am Gelände vorbei. Seit November 2007 hat die Gemeinde eine Kooperationsvereinbarung mit der Polizei.
Etwa 300 Gäste sind zur Eröffnung am Abend des 16. Oktober mit dem Kalifen geladen. Am 17. Oktober feiert die Gemeinde. Rund 1000 Gäste werden erwartet. Anfang Oktober hat das Bezirksamt den fertigen Bau abgenommen. In den vergangenen Tagen seien kleinere Baumängel beseitigt worden, die die Behörde festgestellt hatte, sagt Bauleiter Saeed Gessler. Das Profil eines Geländers war zu ändern, Brandschutzmaßnahmen sollten vervollständigt werden.
Gebetsteppiche werden ausgelegt
Jetzt werden die Teppiche in den beiden Gebetsräumen der Moschee ausgelegt. Arabische Schriftzüge mit Worten aus dem Koran werden an der Wand und auf Fenstern aufgetragen. "Einige sind Hand gemalt, andere als Folie geklebt", sagt Gessler.
Er hat von den angekündigten Demonstrationen gehört. "Noch ist es ruhig bei uns", sagt Saeed Gessler. "Wir hoffen, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt."
Inforadio, 12.10.2008
"Heinersdorf öffne dich" - Eine Initiative will ihren Bezirk verändern
Am 16. Oktober wird die umstrittene Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in Heinersdorf eröffnet - begleitet von Protesten. Der Verein "Heinersdorf öffne dich" hat in den vergangenen Jahren versucht, ein besseres Klima in ihrem Bezirk zu schaffen, um den Widerstand gegen die Moschee zu entschärfen. Gerd Müller hat das Projekt zusammen mit anderen gegündet. Vera Kröning mit ihm darüber gesprochen, woher der Widerstand gegen die Moschee kommt, wie das Klima in Heinersdorf ist und welchen Eindrücke er von der Ahmadiyya Gemeinde hat.
Interview als Audio-Version
Berliner Morgenpost, 06.10.2008
Umstrittene Moschee öffnet am 16. Oktober
Die neue Moschee der Ahmadiyya-Muslimgemeinde in Heinersdorf ist nahezu fertig. "Der Bau weist ungewöhnlich wenig Mängel auf", sagt Michail Nelken (Linke), Stadtrat für Stadtentwicklung. Die Bauabnahme sei am 1. Oktober erfolgt, allerdings unter Vorbehalt. Es gebe kleine Mängel, die bis zum 8. Oktober zu beseitigen seien.
Am Abend des 16. Oktober wird das Gotteshaus an der Tiniusstraße in Gegenwart des Kalifen und mit offiziellen Gästen eingeweiht. Am 17. Oktober feiert die Gemeinde. Rund 1000 Gäste werden erwartet.
Das muslimische Gotteshaus ist unter Anwohnern umstritten. Als die Pläne der Ahmadiyya-Gemeinde 2006 bekannt wurden, gründete sich eine Bürgerinitiative, die den Moscheeneubau verhindern wollte. Im Frühjahr 2007 brannte ein Kipplaster auf dem Moscheegrundstück. Im Juni 2007 zogen die Moscheegegner in einer Demonstration durch Pankow. Den jüngsten Zwischenfall hatte es Anfang Juli 2008 gegeben. Unbekannte beschmierten die Kuppel der Moschee mit Naziparolen.
In der Moschee werden in diesen Tagen die neuen Heizungen angestellt, um die Räume zu trocknen. Bereits angeliefert sind die in der Türkei gefertigten Teppiche für die beiden 170 Quadratmeter großen Gebetsräume. Im oberen Geschoss werden die Frauen beten, darunter die Männer. Das zwölf Meter hohe Minarett ist bereits vom Baugerüst befreit. Seine acht kleinen Fenster sowie die Kuppel leuchten bei Dunkelheit. Die Gemeinde hat etwa 250 Mitglieder in Berlin. Auch wenn die Moschee in Funktion ist, soll das Gemeindezentrum in Reinickendorf erhalten bleiben, weil dort unter anderem der vierte Kalif übernachtet hat. Der Moscheebau war mit 1,6 Millionen Euro veranschlagt. Das Geld wird aus Spenden aufgebracht. Die endgültigen Kosten sind jedoch geringer, weil eine preisgünstigere Heizung eingebaut worden ist. Auf dem Grundstück steht auch ein Gemeindehaus, in dem der Imam wohnen wird.
04.10.2008 Deutschlandradio
Zwischen Vorzeigemuslimen und Geheimsekte
Die Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland
Von Thilo Guschas
Die Ahmadiyya-Bewegung ist mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Vor allem über ihren umstrittenen Moscheebau in Berlin, der Mitte Oktober eröffnet wird. Doch auch sonst gibt es sehr unterschiedliche Berichte über die kleine muslimische Gemeinde, von der sich andere Muslime scharf abgrenzen. Sind sie nun besonders demokratiefreundlich - oder doch eine Sekte, wie es immer wieder heißt?
Aygül Özkan: "Wir sehen, sie sind sehr, sehr integriert. Ich habe viele Menschen aus der Ahmadiyya-Gemeinde kennengelernt, die sehr erfolgreich sind, viele mit akademischen Abschluss, viele stark im Berufsleben, sehr wenig Gewalt unter den Jugendlichen oder Studienabbrecher oder ohne Ausbildung befindliche Jugendliche. Das zeigt ja, dass sie erfolgreich sind und letztlich keiner einen unterdrückten Eindruck macht." An diesem Abend fällt kein böses Wort über die Ahmadiyya-Gemeinschaft. Die religiöse Gruppierung hat zu einem Festakt in Hamburg geladen. Die Ahmadis feiern, dass vor 100 Jahren ihr erster Kalif erschienen ist. Die Ahmadiyya vertritt eine Sonderform des Islams. Je nachdem, wen man befragt, erscheint sie als eine Gruppe von integrierten Vorzeigemuslimen - oder aber als demokratiefeindliche Sekte. Auf dem Festakt singt ein Kinderchor. Dann halten Politiker aller bürgerlichen Parteien kurze Reden. Sie loben die Ahmadiyya in den höchsten Tönen. Unter den Rednern ist auch der Religionswissenschaftler Wolfram Weiße.
Wolfram Weiße: "Man kann sagen, dass die Diktion "Sekte" immer von denen benutzt wird, die größer und mächtiger sind. Und von daher ist es so, dass wir uns im akademischen Bereich angewöhnt haben, von religiösen Sondergemeinschaften zu sprechen oder von kleineren religiösen Gemeinschaften. Was den einen als Struktur zu straff ist, ist für die anderen eine angemessene Struktur. Ich kann mir nicht das Urteil anmaßen, darüber zu befinden. Was ich hier sehe, gibt mir keinen Anhaltspunkt dafür."
Den Festakt richtet die "Ahmadiyya Muslim Jamaat" aus. Sie gilt als die weltoffenere der beiden Strömungen, in die die Gemeinde sich teilt. Zu ihrem Glauben gehört, dass es seit hundert Jahren einen Nachfolger des Propheten Muhammads gibt. Mittlerweile ist der fünfte "Kalif" im Amt. Zugegeben, ein verfänglicher Ausdruck, meint die CDU-Politikerin Aygül Özkan. Sie kennt die Ahmadiyya-Gemeinde aus der politischen Arbeit in Hamburg.
Aygül Özkan: "Ich kenne sie soweit, dass man natürlich den Begriff "Kalifat" mit einem anderen Hintergrund verbindet, nicht mit einem religiösen-spirituellen, sondern vor einem Hintergrund der Unterdrückung, vielleicht auch mit Blick auf Terrorismus/Extremismus. Ich halte das für einen Fehler. Man sollte nicht eine Gemeinde mit Vorurteilen belasten, die wirklich friedlich lebt."
Abdul Basit Tariq: "Was uns unterscheidet als Reformgemeinde, ist unser Glaube, dass der verheißene Mahdi und Messias erschienen ist, wohingegen die anderen Muslime noch warten."
Abdul Basit Tariq, Imam der Ahmadiyya. Der Glaube an eine Art "hauseigenen Kalifen" bricht das islamische Dogma, dass auf Muhammad kein weiterer Gesandter mehr folge. Damit hat sich die Gemeinde die Ablehnung der übrigen Muslime zugezogen. Im Ursprungsland der Bewegung, Pakistan, verfolgt man die Ahmadis als Ketzer. Sie scheinen Altbekanntes neu zu deuten: Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern wurde 120 Jahre alt. Vor allem wollen sie eines, behaupten die Ahmadis: Verständigung und Frieden.
Abdul Basit Tariq: "Wir glauben nicht an Dschihad, an heiligen Krieg. Der Begründer der Gemeinde hat alle Arten von Krieg mit Waffengewalt verboten. Gegen das Böse kämpfen - aber nicht mit Waffengewalt, sondern mit dem intellektuellen Leben. Wir sollen Bücher schreiben, Vorträge halten, Gespräche führen. Damit kann man das Böse allgemein bekämpfen. Rassismus zum Beispiel, das Unrecht in der Welt, die Unterdrückung der Menschen."
"Der Werbeslogan, der am meisten verwendet wird - auf Hüten, auf Plakaten, auf Transparenten - heißt "Liebe für alle, Hass für keinen". Das kommt natürlich gut an." ... allerdings nicht bei Hiltrud Schröter. Die Sozialwissenschaftlerin hat eine kritische Studie über die Ahmadiyya-Bewegung verfasst. Schröters wissenschaftliche Herangehensweise ist umstritten. Ihre Studie ist ausgesprochen populär - eine Art "Bibel der Ahmadiyya-Kritiker". Schröter ist eine Freundin deutlicher Worte.
Hiltrud Schröter: "Die Ahmadiyya ist eine millenarische Kalifat-Bewegung mit der Ideologie vom Endsieg und mit Großmachtfantasien. Zum Beispiel sagte der jetzt regierende fünfte Kalif: Alle göttlichen Anweisungen von Adam bis Jesus sind im Koran enthalten. Der Sieg wird uns geschenkt werden. Die Ahmadiyya wird die Oberhand auf der ganzen Welt erzielen. Das wurde dann noch erläutert. Die Oberhand werde auf der ganzen Welt in 300 Jahren erlangt sein. Die Ahmadiyya ist weltweit bereits aufzufinden in sämtlichen Erdteilen und zwar ist sie nach neuesten Angaben bereits in 190 Ländern und hat insgesamt 14.000 Moscheen bereits erbaut. Das alles in den gut 100 Jahren."
Auch Johannes Kandel von der Friedrich-Ebert-Stiftung sieht alarmierende Tendenzen bei den Ahmadis. Johannes Kandel: "Einmal ist da das ungeklärte Verhältnis von Religion und Politik, basierend auf ihrer Vorstellung eines weltweiten Kalifats. Auch wenn sie immer wieder bestreiten, dass es da enge Verbindungen gibt und behaupten, dass ihr Kalif nur ein religiöser Führer ist, ist das in ihrem Schrift nicht sehr eindeutig formuliert. Der zweite Punkt ist die deutlich betonte Geschlechterungerichtigkeit, die bei ihnen Gleichwertigkeit heißt - insofern unterscheiden sie sich nicht von orthodoxen und fundamentalistischen Positionen im Islam."
Abdullah Uwe Wagishauser: "Die Sichtweise ist einfach nur die, dass man das sieht, was in den letzten 30 Jahren hier passiert ist."
Abdullah Wagishauser, der deutsche Präsident der Ahmadiyya. Besonders ärgert ihn der Vorwurf, das Frauenbild der Ahmadis sei rückwärtsgewandt.
Abdullah Uwe Wagishauser: "Wenn man das im Geschichtskontext sieht, ist diese Entwicklung der "sexuellen Revolution" nur vierzig Jahre alt. Ich weiß, wovon ich spreche, weil ich auch einer von diesen 68ern bin, der versucht hat, sein Heil darin zu finden. Das ist etwas, was an der momentanen Situation, wie Leute den "Way of Life" sehen, sich reibt. Auch unsere Frauen wollen natürlich schwimmen gehen, joggen gehen, sich betätigen in allen möglichen Branchen. Wir versuchen Rücksicht zu nehmen auf die Gefühle von Frauen, die sich nicht in dieser Öffentlichkeit, in dieser Atmosphäre aufhalten wollen, wo sich die Geschlechter aufplustern, diesen Geschlechterkampf begehen."
Zerbrochene Ideale der 68er vermengen sich mit einem konservativ ausgelegten Islam. "Den Geschlechterkampf eindämmen": Das klingt nicht nur aussichtslos, sondern auch defensiv. Ein enttäuschter Rückzug aus der Gesellschaft. Auf keinen Fall, meint Schröter. Im Gegenteil, es sei ein Angriff.
Hiltrud Schröter: "Sie wollen eben, sobald sie an der Macht sind, die Scharia durchsetzen. Das will ich auf keinen Fall hier eingeführt haben. Dann geht es uns bald genauso wie Nichtmuslimen in islamischen Ländern. Man kann keine Kirchen mehr bauen, keine eigenen Schulen mehr bauen, keine Ausbildungsstätten für Priester mehr einrichten."
Abdullah Uwe Wagishauser: "Dem Schwachsinn stelle ich mich gar nicht. Das mache ich gar nicht. Da gibt es genügend Islamwissenschaftler, die dazu Stellung bezogen haben. Das ist der einsame Rufer in der Wüste. Das ist Frau Schröter, die so etwas behauptet. Wir haben eine Erwiderung dazu geschrieben. Wir haben das im Augenblick aus dem Internet herausgenommen, um das zu überarbeiten, die wird dann wieder ins Internet reingestellt. Wir haben mittlerweile genügend Aussagen, von renommierten Islamwissenschaftler, die Frau Schröter als unwissenschaftlich darstellen. Ich glaube, das genügt."
Hiltrud Schröter: "Die Ahmadiyya sagt ja, in 50 Jahren spätestens ist es so weit in Deutschland. Das hat sie aber schon vor zehn Jahren gesagt. Bei der Naivität, die hier verbreitet ist, und dem Unwissen, halte ich das auch für möglich. Die Medien unterstellen uns, dass wir fremdenfeindlich sind und Angst vor dem Fremden haben. Dieses Geschwätz."
Johannes Kandel: "Es werden ja auch faschistische Züge unterstellt. Das sehe ich bei der Ahmadiyya sicher nicht. Wo Frau Schröter sicher recht hat, ist, dass es eine starke missionarische Positionierung dieser Gruppen gibt. Es ist eine der aggressivsten missionarischen Gruppen im Gegenwartsislam. Aber daraus jetzt zu schlussfolgern, es gäbe ein Weltherrschaftsprogramm, so eine Art Masterplan, das sehe ich nicht. Das sehe ich eher bei islamistischen Gruppen, und zwar ziemlich deutlich nachweisbar."
"Szenenwechsel. Die Tiniusstraße in Pankow-Heinersdorf. Ein abgelegener Vorort von Berlin. Doppelhaushälften mit schattigen Vorgärten - ein biederer Flair. Doch es liegt Ärger in der Luft. Joachim Swietlik steht in einem Büro, das vollgestellt ist mit handgemalten Plakaten."
Joachim Swietlik: "Da steht ganz groß "Nein zur Ahmadiyya-Moschee", und dann das Logo der "ipahb", der "Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger". Soll zum Ausdruck bringen, dass auch im Jahr 2007, als klar war, dass die Moschee gebaut wird, dass der Widerstand der Bürger nach wie vor nicht gebrochen ist. Der wird auch dann nicht gebrochen sein, wenn die Moschee schon ihren Betrieb aufgenommen hat."
Joachim Swietlik führt eine Protestgruppe an. Sie wendet sich gegen den Moscheeneubau der Ahmadiyya in der Berliner Tiniusstraße. Swietlik hat den Internetauftritt der Ahmadiyya auf seinem PC gesichert. Bevor dieser verändert und "weichgespült" wurde, wie Swietlik sagt. Der Mann klickt eine der Seiten auf, die mittlerweile verschwunden seien.
Swietlik: "... dass der Verzehr von Schweinefleisch Auswirkungen auf das menschliche Moralverhalten hat. Das Schwein ist ein schamloses Tier und unterstützt die Ausprägung gewisser Verhaltensweisen des Konsumenten. Der Mensch ist, was er isst. Der Khalifa Hassan Mirza Tahir Ahmad äußerte in dem Zusammenhang, dass er den zunehmenden Hang zur Homosexualität mit dem Schweinefleischverzehr in unserer Gesellschaft in Verbindung setzt." Eine wirre, hasserfüllte These. Bekannt wurde sie in den Medien unter der Kurzform "Schweinefleisch macht schwul". Ein Skandal, der zur Folge hatte, dass die umstrittene Internetseite der Ahmadiyya "eingedampft" wurde, wie es Swietlik ausdrückt. Auch Johannes Kandel von der Ebert-Stiftung weiß von streitbaren Positionen der Ahmadiyya. Eine besondere Fundgrube ergebe sich, wenn man die Schriften von Hadayatullah Hübsch untersuche, des Pressesprechers der Ahmadiyya.
Johannes Kandel: "Dann wird sehr deutlich, dass sein Menschenrechtsverständnis und eben auch das der Ahmadiyya mit einem allgemeinen Menschenrechtsverständnis, wie es etwa in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 formuliert ist, wenig kompatibel ist. Das bezieht sich sehr deutlich auch auf die Frage des Verhältnisses von Mann und Frau. Und es bezieht sich auch auf die Frage der Religionsfreiheit. Obwohl man bei den Ahmadis sagen muss, dass sie bei Apostasie, jedenfalls in Konsequenzen auf den Apostaten, eine etwas tolerantere Position vertreten als der sunnitische Islam." Eine "Immerhin"-Haltung. Demokratieversäumnisse, aber immerhin sind es keine Fanatiker. Auch der Verfassungsschutz beobachtet die Ahmadiyya nicht - immerhin. Doch Swietlik kann das nicht besänftigen. Bei seiner Recherche im alten Internetauftritt der Ahmadiyya ist er auf eine Freitagspredigt gestoßen, die von einem der Kalifen stamme. Swietlik beteuert, dass er den Text weder gefälscht noch manipuliert habe.
Joachim Swietlik: "Diesbezüglich sind die Gebote ganz deutlich. "Allah sagt, jene, von denen ihr Widerspenstigkeit fürchtet, ermahnt sie, lasst sie allein in den Betten und straft sie." Das steht auch so im Koran. "Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht keine Ausrede gegen sie. Dieser Vers gibt keineswegs die Erlaubnis, die Frau wegen Kleinigkeiten zu schlagen". Das impliziert ja: wenn sie dann über die Stränge geschlagen hat, dann darf man aber doch! "Wenn man, nachdem man die vorangegangenen Schritte befolgt hat, sich dazu gezwungen sieht, zu schlagen, dann nur so, dass es keine Spur auf dem Körper der Frau hinterlässt." Also schlagen Sie Ihre Frau nicht mit der Faust, das gibt blaue Flecke, damit kann sie zur Polizei gehen und hat dann nachweisbare Gewaltspuren. Nehmen Sie das Telefonbuch!" Was bleibt also, unterm Strich? Einerseits: Besorgniserregende Kritik, die jedoch teilweise in Verschwörungsfantasien abgleitet und wissenschaftlich nicht abgesichert ist. Andererseits: Politiker, die sich sportlich geben, wenn es um schwere Vorwürfe geht, wie der, dass Gewalt gegen Frauen gutgeheißen werde. Aygül Özkan von der Hamburger CDU.
Aygül Özkan: "Ich kann es mir nicht vorstellen. Es ist genauso so viel oder wenig dran wie in allen anderen Religionen oder Familien. Wo immer Menschen zusammen sind, gibt es solche und solche. Solche, die auch mal ihre Aggressionen ausleben, aber das hat mit der Religion und dem Glaubensbekenntnis glaube ich nichts zu tun."
Johannes Kandel: "Es ist sicher ein Informationsdefizit. Aber es ist auch die große Sehnsucht bei diesen Politikern, endlich einmal Muslime zu finden, die auch eigentlich völlig angepasst sind und keine Probleme machen. Das sind ja keine Islamisten, von denen werden keine radikalen Töne laut. Insofern sind sie für diese Politiker schon Vorzeigemuslime. Wenn man etwas tiefer gräbt, dann muss man eben doch feststellen, dass es diese Demokratiedefizite gibt. Politiker wären gut beraten, Muslime auch darauf anzusprechen."
Berliner Morgenpost, 04.10.2008
Tag der offenen Worte
Die Frau möchte jetzt nicht lockerlassen. Wie ist das nun mit den Mädchen? Mit dem Kopftuchzwang? Und dem Verheiraten? Wie stehen Sie denn dazu, und wie der Koran? Und warum predigt hier keine Frau? Der Imam ist geduldig. Erklärt und erzählt mit sanfter Stimme: von der Toleranz des Islam, von der Geschichte. Und davon, dass Imam einfach kein so praktischer Job für eine Frau sei. Das sieht sie nicht richtig ein. Das Gespräch geht in die nächste Runde.
Ungefähr so ist es auch gedacht. Tag der Deutschen Einheit, das ist seit zwölf Jahren deutschlandweit auch der Tag der offenen Moschee. Um Austausch und Öffnung soll es dabei gehen, bei Führungen, gemeinsamen Gebeten, Gesprächsrunden. Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening, das hat er gerade wieder gesagt, findet die Initiative ein ermutigendes Signal für den Dialog mit dem Islam. 16 muslimische Gebetshäuser hatten gestern in Berlin geöffnet - ein kleiner Teil der insgesamt rund 80. Wie schon in den vergangenen Jahren lautet die Erklärung: Die anderen seien schlicht zu klein.
200 000 Muslime in Berlin
Wirklich groß ist die Ayasofya Moschee in Moabit nicht, doch die Türen stehen weit auf. Am Vormittag herrscht zwar noch wenig Betrieb, aber junge Gemeindemitglieder sind überall hilfsbereit und höflich zur Stelle, zeigen die Räume, den Gebetskalender, das Pult für den Imam. Erklären in perfektem Deutsch, wie das ist mit dem gerade zu Ende gegangenen Ramadan, und dass leider nicht alle Helfer heute hier sein könnten, die bereiteten sich aufs Abitur vor. Jeder Integrationsbeauftragte hätte seine Freude an ihnen. Dann beginnt die Koranlesung. Mit Übersetzung.
Tatsächlich hört man Deutsch in den Berliner Moscheen längst nicht nur an diesem Tag. Von den über 200 000 Muslimen, die in der Stadt leben, haben zwar mehr als die Hälfte türkische Wurzeln, die Übrigen kommen, unter anderem, aus arabischen Ländern, aus Bosnien, Pakistan, Indien, Afrika. Aber die Zahl der deutschen Konvertiten steigt. Die Zahl der Imame, die Deutsch lernen, ebenfalls. In der Berliner Moschee in Wilmersdorf war das schon immer so. In dem Haus der Lahore-Ahmadiyya-Bewegung, der ältesten Moschee Deutschlands, wird seit 1928 auf Deutsch gepredigt. Vor Problemen hat das die Gemeinde nicht bewahrt, in letzter Zeit schrumpft sie, manchmal wird das Freitagsgebet bereits ausgesetzt.
Nicht so gestern. Die Schuhregale im Vorraum sind voll, alle Stühle besetzt, als Imam Muhammed Ali seinen Vortrag hält. Man wolle das ja schon verstehen, wie die denken, warum und wie sie handeln, raunt Heinz Kudlak aus Schwedt. Er ist extra nach Berlin gefahren, um die Moscheen zu besuchen, sagt er, wegen des Verstehens, "aber auch wegen der Architektur". Nach dem Vortrag sagt der Imam, es sei ja ihre Sache, sich zu erklären. Zu öffnen. Vor der Tür läuft da bereits eine Diskussion über Kirchensteuern und die Vorteile verschiedener Religionen in dieser Hinsicht. Der Besucherstrom reißt nicht ab.
Es geht sehr friedlich und sehr offen und vorbildlich dialogbereit zu, in Wilmersdorf, Moabit, Kreuzberg, an diesem Tag. Aber das heißt nicht, dass es keinen Redebedarf mehr gibt - auf beiden Seiten. Das zeigte nicht allein der Streit um den Bau der Khadija-Moschee in Heinersdorf, um den es erst seit kurzem ruhiger geworden ist. Und Redebedarf sehen auch Homosexuellenverbände, die seit langem schwulenfeindliche Tendenzen muslimischer Organisationen beklagen.
Gestern wollten sie einen Schritt weiterkommen. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) rief zu einem Besuch der Sehitlik-Moschee in Neukölln auf. Über Menschenrechte von gleichgeschlechtlichen Paaren wolle man sprechen und über Maßnahmen gegen die Homophobie, hieß es im Vorfeld.
Am Mittag ist am Columbiadamm dann tatsächlich kein Durchkommen mehr, Menschenmassen drängen sich im Hof und durch das Tor. Die Moschee ist ungefähr so, wie man sich im Westen orientalischen Pomp vorstellt: Kuppeln, Türmchen, viel Gold. Und bei den Gläubigen ist sie offenbar beliebt. Denn die Massen kommen nicht zur Besichtigung, sondern zum Freitagsgebet. Während der Imam noch predigt, die Besucherschlange vor den Toren länger wird, sammeln sich auch die Vertreter des LSVD. Es gab Gespräche im Vorfeld, mit der Moschee, allein schon das ein Erfolg. Es sei eigentlich das erste Mal, dass so ein Dialog stattfinde, sagt Wolf Plesmann vom LSVD. Und dass sie viel Hoffnung darauf setzten: auf ein Gespräch, das jetzt beginnt. Das Missverständnisse auf beiden Seiten aus dem Weg räumt, im Idealfall, und Vertrauen bildet. Bali Saygili vom "Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule" (Miles) nickt: "Es geht darum, gemeinsam zu arbeiten. Und um Respekt".
Klare Worte
Worum es nicht geht, ist Provokation, das sagen alle, die bei der Gruppe vor der Moschee stehen. Die kleinen "LSVD"-Schilder sind das einzige, was auf ihre Zugehörigkeit zum Verband hinweist. Eine Frau fragt, ob sie sich ein Kopftuch umbinden muss (nein), eine andere sagt, eigentlich wolle sie sich ja auch nur mal eine Moschee von innen ansehen. Kann sie.
Das Gebet ist vorbei, die Führung beginnt. Nach der Führung soll es noch eine Diskussion geben. Sie erwarteten klare Worte, hatten LSVD-Vertreter vorher zu Protokoll gegeben. Aber vor allem ein Gespräch.