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Archivübersicht

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Dezember 2007

11.12.2007 Steuerverschwendung
07.12.2007 Dürfen Muslime in Deutschland Moscheen bauen?
05.12.2007 Alle wollen mitreden Empfehlungen
05.12.2007 Wollen voneinander lernen
03.12.2007 Angst vor dem sichtbaren Islam

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11.12.2007, Abgeordnetenhaus von Berlin
Drucksache 16 / 20 177
Nicht behandelte Mündliche Anfrage
16. Wahlperiode
Nicht behandelte Mündliche Anfrage Nr. 11 der Abgeordneten Christa Müller (SPD) aus der 21. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 22. November 2007 und Antwort
Steuerverschwendung
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre nicht erledigte Mündliche Anfrage gemäß § 51 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses wie folgt:
1. Wie hoch sind die Kosten, die der Polizeieinsatz am vorigen Freitag verursacht hat, bei dem engagierte Heinersdorfer und Heinersdorferinnen, die am Wochenende über die Zukunft von Heinersdorf und über ein nachbarschaftliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft konferieren wollten, vor Demonstranten geschützt werden mussten, die diese Veranstaltung stören und verhindern wollten?
Zu 1.: Im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen werden nur die Kosten erfasst, die ggf. durch die Anforderung von Unterstützungskräften aus anderen Bundesländern oder des Bundes entstehen. Für diesen konkreten Einsatz sind keine Fremdkräfte angefordert worden. Eine über-schlägige Berechnung anhand der im Zusammenhang mit der „Zukunftskonferenz Heinersdorf“ und der Gegen-kundgebung „Mein Licht für Heinersdorf“ am 16.11.2007 geleisteten Mannstunden ergibt interne Personalkosten in Höhe von rund 25.300 Euro.
2. Wie wird die die Tatsache bewertet, dass der CDU Abgeordnete René Stadtkewitz ebenfalls gegen ein bürgerschaftliches Engagement demonstriert hat?
Zu 2.: Der Senat sieht sich nicht berufen, die Inanspruchnahme des Demonstrationsrechts, insbesondere von Abgeordneten, kommentierend zu begleiten. Berlin, den 11. Dezember 2007
Dr. Ehrhart Körting Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dezemb. 2007)

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Der Tagesspiegel, 07.12.2007
Dürfen Muslime in Deutschland Moscheen bauen?
Religionsfreiheit gilt auch für Muslime. Sie ist allerdings keine Einbahnstraße. Ein Gastkommentar von Georg Kardinal Sterzinsky
Die Antwort ist klar: Ja, selbstverständlich dürfen Muslime in Deutschland Moscheen bauen. Das ergibt sich schon aus dem grundgesetzlich garantierten Recht auf Religionsausübung. Aber auch unabhängig vom Grundgesetz anerkennt die katholische Kirche das Recht auf Religionsfreiheit, so dass sie dauerhaft in Deutschland lebenden Muslimen das Recht, angemessene und würdige Moscheen zu errichten, nicht absprechen kann. In den letzten Monaten wurde immer wieder über die Planungen zum Bau bestimmter Moscheen gestritten, beispielsweise in Köln, aber auch in Berlin. Hier erregen derzeit insbesondere geplante Moscheen in Pankow-Heinersdorf und in Charlottenburg die Gemüter. In Heinersdorf agitiert eine Bürgerinitiative gegen ein Bauvorhaben der Ahmadiyya-Gemeinde und begründet ihre Einspruch damit, dass die Gemeinde eine unberechenbare Sekte sei, von der im übrigen niemand vor Ort wohne. In der Nähe des Charlottenburger Mierendorffplatzes möchte der Verein Inssan einen Kultur- und Moscheekomplex errichten. Wie der Tagesspiegel berichtete, soll allein das Grundstück 2,9 Millionen Euro kosten. Den größten Teil der Kosten wolle der vierzigköpfige Verein durch Spenden aus arabischen Ländern finanzieren. Das Vorhaben in Charlottenburg zeigt, welche Fragen häufig im Zusammenhang mit geplanten Moscheen aufgeworfen werden. Etwa: Dienen so große Komplexe mit Einrichtungen, die nicht unmittelbar für die Religionsausübung bestimmt sind, wirklich der Integration? Oder wird durch sie die Tendenz zur Abschottung und zu Parallelgesellschaften verstärkt? Was für eine Interpretation des Islam vertritt der Träger der Moschee? Ist sie mit dem Grundgesetz verträglich? Was sind die Geldquellen? Und welche Ziele verfolgen die Geldgeber? Ich meine, dass sowohl die Anwohner als auch der Staat ein berechtigtes Interesse an Transparenz und an der Beantwortung solcher Fragen haben. Es muss auch ernst genommen werden, dass Inssan Verbindungen zu Islamisten vorgeworfen werden, und geprüft werden, ob die Vorwürfe zutreffend sind. Es ist also geboten, bei geplanten Moscheebauten genau hinzuschauen. Richtig ist, dass angesichts der dauerhaften Präsenz von Muslimen in Deutschland und Europa sowie des absehbaren Wachsens dieser Gemeinschaften der Weg weg von den Hinterhöfen hin zu erkennbaren Moscheen beschritten wird. Richtig ist aber auch, dass dabei das rechte Maß gewahrt wird. Moscheen sollen würdig sein. Aber muss ein Moscheebau so dimensioniert sein, dass zumindest der Eindruck entstehen kann, eine Machtdemonstration sei beabsichtigt? Werden Moscheen dann noch – wie in Deutschland öfter – nach dem Eroberer Konstantinopels Fatih-Moschee, also Eroberer-Moschee, benannt, wird das leicht als Provokation empfunden. Wenn Intellektuelle wie Ralph Giordano, die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek, die Schriftsteller Dieter Wellershoff und Günter Wallraff, der Historiker Hans-Ulrich Wehler oder der Künstler Klaus Staeck sich mit teils drastischen Worten gegen den Bau großer Moscheen aussprechen, lässt dies aufhorchen. Die zugrunde liegenden Bedenken sollten ernst genommen werden. Aus Überzeugung tritt die katholische Kirche für die Religionsfreiheit der Muslime in Deutschland ein. Natürlich setzen wir uns auch für die Religionsfreiheit von Christen in islamischen Staaten ein. In solchen Ländern sind Christen oft Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt. Dort geht es in der Praxis allenfalls um den Bau kleiner Kirchen, sehr wohl jedoch um die Möglichkeit, die eigene Religion ohne Angst vor Verfolgung praktizieren zu können. Wir machen unser Verhalten nicht abhängig von Entscheidungen und Verboten in anderen Ländern. Ich meine jedoch, es würde die Akzeptanz von Muslimen in Deutschland fördern, wenn sie sich auch deutlich für Glaubensfreiheit der Christen in ihren Herkunftsländern aussprechen würden. Der Autor ist Erzbischof von Berlin.

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zitty Berlin, 05.12.2007
Alle wollen mitreden Empfehlungen
Carsten Joost hat sie immer in seinem Rucksack: Die Hochglanz-Broschüren der Mediaspree, der Entwicklungsgesellschaft, die Investoren in den Osthafen holen soll. Die Bilder zeigen jene Bürotürme, Lofts und Hotels, die entlang der Spree vom Treptower Park bis zur Jannowitzbrücke gebaut werden sollen. Auf sieben Kilometern sollen Milliarden in Stahl, Glas und Steine investiert werden. Es geht um Grundstücke von zusammen 180 Hektar, das ist viermal die Größe des Potsdamer Platzes. „Diese Flyer sind das beste Argument für unser Anliegen”, sagt Carsten Joost. Denn auf viele Anwohner wirken die Grafiken der geplanten Eingriffe abschreckend. Die Menschen erkennen ihre Kieze kaum wieder. Auf diesen Effekt baut Carsten Joost. Er betreibt eine Bürgerinitiative. Sie heißt: „Mediaspree versenken”.
Es ist Montag. Der 42-jährige Architekt sitzt in einem rosa gestrichenen Zimmer im besetzten Südflügel des Bethanien in Kreuzberg. An den Wänden fordern Plakate „Freiheit für alle politischen Gefangenen” und „G8 verhindern”. Rund 20 Aktivisten von „Mediaspree versenken” kommen zu den wöchentlichen Treffen, die meisten tragen Kapuzenpullis. Carsten Joost kann Erfolge vermelden. Seit dem 2. Oktober läuft das Bürgerbegehren „Spreeufer für alle!”, und schon in den ersten vier Wochen haben 3.600 Anwohner unterschrieben. Die rund 5.400 nötigen Stimmen für einen Bürgerentscheid sind fast beisammen. Dann dürften die Kreuzberger und Friedrichshainer über die Forderungen der Initiative abstimmen: 50 Meter Mindestabstand zum Spreeufer sollen die Neubauten haben und die traditionelle Berliner Traufhöhe von 22 Metern einhalten. Ferner soll keine weitere Autobrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg gebaut werden. Ein Schild fasst die Forderung der Bürgerinitiative zusammen: „Baut keinen Mist”.
Hier ringt ein Zwerg mit Riesen. Natürlich weiß Joost, dass es schwierig wird, Bebauungspläne und Genehmigungen nachträglich zu ändern. Auch Entschädigungen an Investoren wären fällig – nach Schätzungen des Bezirksamts in dreistelliger Millionenhöhe. Das Engagement der renitenten Kiez-Anwohner mag aussichtslos sein – ein Einzelfall ist es indessen nicht. Im Gegenteil: „Momentan kann man eine Renaissance der Bürgerinitiativen beobachten”, sagt der Soziologe Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, der sich intensiv mit den Neuen Sozialen Bewegungen beschäftigt. Ob in der Umwelt- oder Verkehrspolitik, bei Bauvorhaben, der Umbenennung von Straßen oder der Schließung von Schulen – die Berliner wollen wieder mehr mitreden, wenn es um ihre kommunalen Belange geht.
Und ausgerechnet die Bürgerinitiative ist ihre Plattform. In den letzten 20 Jahren galt diese basisdemokratische Aktionsform als mausetot. Ihre Hochphase erlebte sie Anfang der 70er Jahre. Immer, wenn ein Kinderspielplatz von einer Umgehungsstraße bedroht war, begannen besorgte Anwohner, Unterschriften zu sammeln und Sternfahrten mit dem Fahrrad zu organisieren. Nicht immer war das kurzatmiger Pragmatismus. Die Bürgerinitiative Westtangente gründete sich 1974 – und existiert immer noch. Ursprünglich wollte sie den Ausbau der Stadtautobahn durch den Tiergarten verhindern. Das glückte Anfang der 80er Jahre. „Eine Sternstunde”, sagt Matthias Braun, der seit 1992 Mitglied ist. „Bürgerinitiativen waren damals neu. Man konnte auch mal einen Überraschungserfolg landen. Heute ist das schwerer. Projektentwickler und Behörden haben sich auf sie eingestellt.” Nachdem die Westtangente gekippt war, suchte sich die Bürgerinitiative neue Aufgaben. Friedensbewegt widmete sie sich der „Abrüstung im Verkehrsbereich” und entwickelte Ideen und Konzepte für andere Projekte, etwa den Park am Gleisdreieck, der jetzt geplant und gebaut wird. Hier sitzt Matthias Braun mit Vertretern aus Bezirk und Senat zwar an einem Tisch, oft fühlt er sich aber übergangen. „Die Bürgerbeteiligung wird nicht ernst genommen”, sagt er. „Man braucht eine dicke Haut, um eine Bürgerinitiative am Laufen zu halten.”
Doch die scheinen viele zu haben. Die Bürgerinitiative spielt gleich in mehreren Erscheinungsformen wieder eine wichtige Rolle im lokalpolitischen Alltag. Dieter Rucht: „Zum einen gibt es wieder mehr Initiativen, die sich um kommunale Belange kümmern, meistens spontan und aus einem unmittelbaren Anlass gegründet. Zum anderen setzen sich Initiativen für direkte Demokratie ein. Und außerdem boomen Bürgerstiftungen.” Diese kommunal organisierten Initiativen sammeln Geld und bauen damit ein Stiftungsvermögen auf, aus dessen Erträgen Jahr für Jahr dem Gemeinwohl dienende Vorhaben finanziert werden. Besonders aktiv ist die „BürgerStiftung Hamburg”.
Die Ziele der Bürgerinitiativen haben sich seit den 70er Jahren nicht wesentlich verändert, sieht man ab von Initiativen wie „DSL für Pankow” oder der „Interessensgemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger”, die ihre Wurzeln – untypischerweise – im rechten Spektrum hat und den Bau der Ahmadiyya-Moschee zu verhindern sucht. Was sie unterscheidet, sagt Dieter Rucht, ist das Repertoire der Mittel. „Inzwischen sind die Leute sehr viel reflektierter, sie gehen strategischer vor und wissen um die Bedeutung von Medien und Kontakten zu Parteien. Sie engagieren sich mit hoher Professionalität.”
Carsten Joost von „Mediaspree versenken” etwa ist initiativenerprobt. Schon in den 90er Jahren engagierte er sich für den Erhalt des Tacheles, später kämpfte er gegen den Abriss des Palasts der Republik. Seit langem ärgert es ihn, wie Investoren den Bezirken ihre Forderungen diktieren und die Bürger zu wenig in die Entscheidungen einbezogen werden. „Das Bürgerinnen-Begehren ist toll für die Stadtplanung”, sagt der Architekt.
Menschen wie Carsten Joost scheinen die oft beklagte Politikverdrossenheit zu konterkarieren. Zwar verlieren Parteien und Gewerkschaften scharenweise Mitglieder und die Wahlbeteiligungen sind nicht nur auf kommunaler Ebene so niedrig wie selten zuvor. Gleichzeitig jedoch steigt die Bereitschaft der Bürger, sich freiwillig zu engagieren – das gilt, wie Umfragen zeigen, für ehrenamtliche Tätigkeiten genau so wie für Bürgerinitiativen.
Die Bürgerlichkeit kehrt zurück. So versteht auch der Soziologe Frank Adloff die Umfragewerte. Besonders die Mittelschicht ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. „Vor allem engagieren sich gebildete Männer, die über ein gewisses Einkommen verfügen und religionszugehörig sind.” Bürgerinitiativen von Arbeitern oder Arbeitslosen gibt es nur selten. „Bei einem gemeinschaftlichen Engagement geht es auch um Selbstverwirklichung und Spaß”, sagt Adloff, der zur Zivilgesellschaft forscht. Schon zu ihrer Hochphase war die Bürgerinitiative eine durchaus bürgerliche Veranstaltung. Dieter Rucht sagt: „Gerade die radikalen Linken haben sie anfangs als interessenborniert und kleinkariert abgelehnt.” Ihr alternatives und aufmüpfiges Image verdankt sie etwa der Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe, die sich mit Blockaden und Bauplatzbesetzung – letztlich vergeblich – gegen die Errichtung eines Atomkraftwerks in Brokdorf wehrte. Dieter Rucht sieht in der Bürgerinitiative den Ausdruck einer tiefen Parteiskepsis: „Die Parteien werden nicht mehr als allzuständig begriffen. Wenn man den Parteien etwas nicht zutraut, dann muss man das selbst in die Hand nehmen.”
So wie Barbara Schneider. Die 37-Jährige legt sich gerade mit der Evangelischen Kirche an. Blickt sie aus dem Fenster, so sieht sie den Friedhof an der Heinrich-Roller-Straße im Prenzlauer Berg. Nur noch ein Teil wird genutzt. Der Rest ist wild überwuchert. Es ist ein verwunschenes Paradies im eng bebauten Winskiez, den die Anwohner für Spaziergänge und im Sommer schon mal zum Picknicken nutzen. Ob das noch lange so bleibt, ist aber unsicher. Nach dem Willen der Kirche soll ein stillgelegter Abschnitt bebaut werden, die Gemeinde braucht das Geld aus dem Verkauf.
Als die Pläne für eine Bebauung bekannt wurden, hat sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Friedhofs gebildet. Von Balkonen hängen nun Bettlaken mit holprigen Slogans wie „Totenstille statt Nobelville”. Barbara Schneider rattert die Fakten und Zahlen, die gegen eine Bebauung sprechen bis auf die Kommastelle genau herunter. Umweltschutz, Naherholung, Pietät – all diesen Aspekten würde eine Bebauung nicht gerecht. Dass die Häuser auf dem Friedhof den Blick von ihrem Balkon verstellen würden, räumt sie aber erst auf Nachfrage ein.
Besondere Angst hat die Anwohnerin, dass mit dem Roller-Friedhof ein Präzedenzfall geschaffen wird. Das sorgt auch der Pfarrer Johannes Krug, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Setzt sich die Bürgerinitiative durch, kann die Kirche den Grund nicht als Bauland verkaufen. Drastische Kürzungen im Gemeindehaushalt wären dann unvermeidlich. Dabei kann der Pfarrer den Ärger der Anwohner durchaus verstehen, er wohnt selbst in der Gegend. Was ihn stört: „Die Bürgerinitiative argumentiert höchst ethisch, legt aber nicht das eigene Interesse als Anwohner offen.” Der Verdacht, aus Egoismus zu handeln, kostet jede Initiative die Glaubwürdigkeit. Soziologen nennen das Problem „Nimby”, die Abkürzung steht für „Not in my Backyard”, nicht in meinem Garten. „Nomgys” – wie in „Not on my graveyard” – wäre wohl die an den Winskiez angepasste Variante.
An politischem Gewicht hat die Bürgerinitiative gewonnen, als 2005 in den Berliner Bezirken das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid eingeführt wurden (siehe Kasten). Schon 20 Mal nutzten die Berliner seither diese Möglichkeit der direkten Mitbestimmung. Nicht alle Initiativen sind erfolgreich verlaufen, etliche sind versandet, ehe sie ihr Anliegen durchsetzen konnten. Aber drei Bürgerentscheide wurden bereits abgehalten, ein weiteres findet Anfang kommenden Jahres in Spandau statt. „Das ist auf alle Fälle ein Erfolg”, sagt Michael Efler vom Verein „Mehr Demokratie”, der das Reformprojekt auf den Weg gebracht hat. Er geht davon aus, dass nach dem Bürgerentscheid in Charlottenburg, bei dem sich 87 Prozent der Wähler unlängst gegen eine Ausweitung der kostenpflichtigen Parkplätze ausgesprochen haben, noch mehr Initiativen kommen werden.
Wie viele, das hängt auch davon ab, wie sich der Bezirk Charlottenburg verhält. Da der Bürgerentscheid denselben Status wie ein Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung hat, und darum nicht in jedem Fall rechtlich bindend ist, steht es dem Bezirksamt frei, sich dem Bürgerwillen zu beugen. Bislang haben sich die Bezirke bei Bürgerentscheiden allerdings sehr kooperativ gezeigt, resümiert der Verein Mehr Demokratie. Ganz anders sieht das auf Landesebene aus, wie der ewige Streit um die Schließung des Flughafens Tempelhof zeigt.
Hier betreibt die Interessensgemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT) aktuell ein Bürger begehren für den Erhalt des Flughafens. Unterstützt wird sie von CDU, FDP und der Wirtschaft. Die SPD dagegen kämpft für die Schließung. Sie vertritt damit die Forderungen der Bürgerinitiative Flughafen Tempelhof (BIFT), die sich schon seit 1986 für eine Schließung engagiert. Während das Volksbegehren ICAT nun läuft, hat der Senat jedoch die Schließung des Flughafens beschlossen. Gegen diese Politik der vollendeten Tatsachen klagt nun die ICAT. Gleichzeitig wächst die Zahl der Unterschriften für den Erhalt von Tempelhof stetig – alleine am letzten Novemberwochenende um 30.000. Auch Carsten Joost sieht im Bürgerbegehren einen Fortschritt für die Bürgerinitiative: „Wir werden ernster genommen”. Wenn das Bürgerbegehren Erfolg hat und die Friedrichshainer und Kreuzberger zu einem Bürgerentscheid an die Wahlurnen gebeten werden, dürfte die Aufmerksamkeit noch einmal rapide steigen. Und selbst wenn der Entscheid nur empfehlenden Charakter hat und rechtlich nicht verbindlich ist – eine Frage wird deutlich beantwortet werden: Ob die Planungen für das Spreeufer dem Willen der Bürger entsprechen oder nicht. Der Souverän hat das Wort.

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Berliner Woche Nr. 49, 05.12.2007

Berliner Woche Nr. 49

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Neue Zürcher Zeitung, 03.12.2007
Angst vor dem sichtbaren Islam
Die muslimischen Gemeinden in Berlin planen neue Moscheen und stossen teilweise auf Widerstand
In Berlin beten die meisten Muslime in Hinterhof-Moscheen, doch in den letzten Jahren wächst der Wunsch nach dem Bau von repräsentativen Moscheen. Die neue Sichtbarkeit des Islam löst Ängste aus, denen mit verschiedenen Strategien begegnet wird.
Sieglinde Geisel
In Berlin leben 210 000 Muslime, doch kaum eine ihrer achtzig Moscheen ist von aussen als solche zu erkennen. Die Gemeinden der Gastarbeiter entwickelten sich langsam: Man tat sich zusammen, mietete einen Raum und legte ihn mit Teppichboden aus. In den Gemeinderäumen dieser improvisierten Moscheen entstanden auch die ersten Läden mit türkischen Lebensmitteln und Halal-Fleisch. Heute werden nur noch Süssigkeiten, Tee und Soft Drinks verkauft, so etwa in der Teestube der Mevlana-Moschee in Kreuzberg. Nur das Schild «Mevlana Camii» verrät, dass sich hinter der grauen Mauer eine Moschee befindet. Die Fabrikhalle mit dem farbig gemusterten Gebetsteppich betritt man vom Innenhof her. Die Wände sind in warmem Gelb gestrichen, es gibt eine Gebetsnische und eine Kanzel sowie ein Miniatur-Minarett. Obwohl am Freitagsgebet keine Frauen teilnehmen, stört sich niemand an der Anwesenheit einer Journalistin.
Volle Moscheen
Burhan Kesici, der Vizepräsident der Islamischen Föderation, hat mich eingeladen und übersetzt mir leise die Worte des Imams, der eine zwanglose Unterweisung hält, während sich Männer jeden Alters auf den Boden setzen. Es geht um die Auferstehung – eine Sache der Logik, so der Imam, denn wenn es Gott einmal gelungen sei, den Menschen zu erschaffen, dann werde ihm dies auch ein zweites Mal gelingen. Einige Männer sammeln die Kollekte ein, denn die Moscheen finanzieren sich ausschliesslich aus Spenden. Als der junge Muezzin ans Minarett tritt und den durchdringenden Gebetsruf ins Mikrofon singt, fühlt man sich in den Orient versetzt. Die Männer erheben sich und beginnen die Gebete, Schulter an Schulter.
Auf eine Wand ist der Umriss einer Moschee gemalt, mit Kuppel und zwei Minaretten – ein Traum, den die Mevlana-Moschee in den letzten Jahren vergeblich zu verwirklichen versucht hat. Im Gegensatz zu den christlichen Kirchen sind die Moscheen voller denn je. In der Mevlana-Moschee werden bei den Festtagsgebeten Teppiche im Innenhof ausgerollt, für die Übertragung aus dem Raum sorgt ein Lautsprecher. Im Jahr 2000 beschloss die Gemeinde, an ihrem bisherigen Standort eine neue Moschee zu bauen. «Wenn man schon baut, dann sollte es auch aussehen wie eine Moschee», erklärt Kesici. Doch im Bauamt hiess es, die Moschee sei zu orientalisch und passe nicht ins Stadtbild. Mit langwieriger Überzeugungsarbeit hätte man wohl für die Baugenehmigung einen Kompromiss finden können, glaubt Kesici, doch dafür fehlten der Gemeinde, in der alle ehrenamtlich arbeiten, die Ressourcen.
In den letzten Jahrzehnten sind die Moscheen ständig gewachsen, längst schon dienen sie nicht nur für Gebete, sondern auch als soziale Einrichtungen. Die zweite Generation der Einwanderer denkt nicht mehr an Rückkehr, und damit wächst der Wunsch, in der deutschen Gesellschaft sich mit repräsentativen Bauten einzurichten. Doch gerade die auf Dauer angelegte Sichtbarkeit einer Moschee weckt Ängste. Dass der Moscheebau eines islamischen Wohltätigkeitsvereins am Görlitzer Park in Kreuzberg kaum auf Widerstand gestossen ist, liegt auch daran, dass das siebenstöckige Gebäude mehr an ein Einkaufszentrum als an eine Moschee erinnert. Doch die Moschee-Debatten lassen sich kaum verallgemeinern. In Pankow-Heinersdorf etwa, wo die erste Moschee Ostberlins entstehen soll, leisten die Anwohner mit allen Mitteln Widerstand, unter anderem, weil in dem Quartier keine Muslime leben. Die 200 Mitglieder der Ahmadiyya-Sekte wohnen verstreut in der Stadt und spielen im islamischen Leben Berlins keine grosse Rolle – obwohl Berlin ihr kurioserweise die älteste Moschee verdankt. In der Hoffnung nämlich, die Deutschen zum Islam bekehren zu können, baute die aus Indien stammende Sekte in den 1920er Jahren im noblen Wilmersdorf eine Moschee, die unter Denkmalschutz steht und kürzlich renoviert wurde. Dieselbe Pionierrolle spielte die Ahmadiyya in der Schweiz, wo sie 1962 den Grundstein für das erste islamische Gotteshaus, die Zürcher Mahmud-Moschee, legte.
Baurecht als Vorwand
Der Bau einer Moschee kann nur dann verhindert werden, wenn baurechtliche Mängel vorliegen – und bisweilen ist das Baurecht als Vorwand durchaus willkommen. Als etwa der Verein Inssan für seine Moschee in Neukölln keine Baugenehmigung erhielt, machte die Baustadträtin kein Hehl aus ihrer Erleichterung, denn durch einen Mittelsmann beim Kauf des Geländes war der Verein in den Verdacht fundamentalistischer Kontakte geraten. Dabei nützten dem Verein auch prominente Fürsprecher wie die CDU-Politikerin Barbara John nichts, die ehemalige Ausländerbeauftragte des Senats, die in dem 2002 von jungen arabischen Muslimen gegründeten Verein ein Beispiel für gelungene Integration sieht. So ist es Inssan beispielsweise gelungen, den islamischen Brauch, nach den Festtagsgebeten die Nachbarn zu beschenken, in Berlin neu aufleben zu lassen: 7000 Muslime klingelten nach dem letzten Fastenbrechen mit einem Stück Gebäck an den Türen ihrer nichtmuslimischen Nachbarn.
Nun will man mit dem Neubau nach Charlottenburg ausweichen, doch auch hier ruft bereits eine rechtsgerichtete Bürgerinitiative zum Widerstand auf. Der Geschäftsführer von Inssan, Imran Sagir, ist ein gebürtiger Berliner indischer Abstammung, und er kann die Ängste nachvollziehen: «Wenn man in den Nachrichten von Verbrechen erfährt, die im Namen des Islam verübt werden, dann will man keine Moschee in der Nachbarschaft.» Er setzt auf den Dialog, doch die Berührungsängste seien gross. «Wir sind moderne Muslime, und das soll sich in der Architektur der Moschee spiegeln», sagt Sagir. Nur ein stilisiertes Minarett erinnert an eine traditionelle Moschee. Mit der niedrigen Kuppel könnte das Gebäude auch als Kongresszentrum durchgehen.
Führungen für Schüler
Die im Jahr 2005 eröffnete Sehitlik-Moschee dagegen könnte genauso gut in der Türkei stehen: Der historisierende Bau mit den beiden hohen Minaretten bietet tausend Gläubigen Platz und ist für viele ein Stück Heimat. Gleichzeitig bemüht sich die Moschee mit täglichen Führungen um Öffnung nach aussen – mit einem Erfolg, der die ehrenamtlichen Mitarbeiter bisweilen an ihre zeitlichen Grenzen bringt, so Ender Cetin, der im türkischen Konsulat als Übersetzer arbeitet. Eine sechste Klasse sitzt in Socken auf dem mit Bodenheizung gewärmten Teppich. Die Kinder bewundern die Kalligraphie an der Wand («islamische Graffiti», witzelt Cetin), die farbigen Glasfenster und den riesigen Leuchter.
«Eigentlich ist der ganze Schmuck nicht notwendig, es gibt nichts Heiliges in diesem Raum», sagt Ender Cetin den quirligen Schülern, die nachher alle auf die Kanzel dürfen. Er erläutert die Gebetsbewegungen und erklärt, warum man in der Moschee die Schuhe ausziehen muss – damit man sich bei der Verbeugung beim Gebet die Stirn nicht schmutzig macht und weil Reinheit die Engel anziehe. Frauen und Männer beten getrennt, weil man sich beim Gebet auf Gott konzentrieren soll – und auch, weil sich Berührungen mit dem Nebenmann oft nicht vermeiden liessen, was übrigens auch vielen Männern unangenehm sei. Und was hat es mit den weissen Kugeln im Leuchter auf sich? Da hat auch der kleine türkische Bub, der sonst alles weiss, keine Antwort parat. Es sind Strausseneier, sie halten durch ihren Geruch Spinnen fern, und so gibt es keine Spinnweben.

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© www.heinersdorf-oeffne-dich.de, Initiative aus Berlin-Heinersdorf, Berlin 2007 | letzte Aktualisierung: 03.05.2010