Pressearchiv
Mai 2007
31.05.2007 Gegen Intoleranz
31.05.2007 Niederlage für Moschee-Gegner
31.05.2007 Schlauer sind wir jetzt nicht
19.05.2007 Moschee-Gegner stellen erneut Strafanzeige
17.05.2007 Ahmadiyya-Gemeinde beginnt mit Moschee-Bau
16.05.2007 7000 falsche Stimmen
09.05.2007 Die Betonaufmischerin
04.05.2007 Zwei Gegner der Moschee in Pankow festgenommen
04.05.2007 Zwei Männer gefasst - Totschläger sichergestellt
Berliner Woche Nr. 23, 31.05.2007
Berliner Zeitung, 31.05.2007
Niederlage für Moschee-Gegner
Verfahren eingestellt
PANKOW. Verleumdung und Herabwürdigung hatten Gegner des Moscheebaus in Heinersdorf Senatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS) vorgeworfen und Anfang April Strafanzeige gegen sie gestellt. Dieses Verfahren wurde nach Informationen der Berliner Zeitung jetzt eingestellt. In den kommenden Tagen wird die Staatsanwaltschaft zwei weitere Strafanzeigen der Moschee-Gegner gegen den Pankower Bürgermeister Matthias Köhne und die Abgeordnete Christa Müller (beide SPD) einstellen, heißt es aus Justizkreisen.
Anwohner hatten den Politikern vorgeworfen, sie im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf dem Moscheegelände im März vorverurteilt zu haben. Die Senatorin hatte gesagt, den Moschee-Gegnern solle die Rote Karte gezeigt werden. Die Moschee wird von der Ahmadiyya Gemeinde errichtet. (str.)
Neue Zürcher Zeitung, 31.05.2007
Schlauer sind wir jetzt nicht
Ein deutscher Moscheebau-Streit
Vom Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland gibt es das halb ironische, halb grimmige Wort, in der Bundesrepublik sei es «schwerer, eine Moschee zu bauen als ein Kernkraftwerk». Das kann zwar schon deshalb nicht stimmen, weil den 35 Atommeilern, die jemals zwischen Rhein und Oder errichtet wurden, rund 150 muslimische Gebetshäuser gegenüberstehen, die Kuppel und Minarett tragen. Dennoch ist die krause Analogie nicht ohne psychologische Wahrheit. Ihrer (Aus-)Strahlungsintensität wegen möchten viele Bürger Moscheen wie Kernkraftwerke nur unter Sicherheitsauflagen oder noch besser gar nicht genehmigt sehen.
Irritation der politischen Lager
Anders als bei Atomkraftwerken indes bleibt der Protest gegen Moscheen meist lokal beschränkt. Ob in der Provinz oder in einer Metropole, ob im zu Berlin-Pankow gehörenden Heinersdorf, im bayrischen Bobingen oder aber in Frankfurt- Rödelheim und München-Sendling - die Wellen, die ein Moscheebau unter den Anwohnern schlagen kann, finden in den überregionalen Nachrichten kaum Beachtung. Eine Ausnahme bildete letzte Woche das Votum von Ralph Giordano gegen das Vorhaben der türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), in Köln- Ehrenfeld, wo die Union seit über zwanzig Jahren ihren Sitz hat, eine Zentralmoschee grossen Stils zu errichten.
Mit zwei 55 Meter hohen Minaretten soll sich, ihrem Rang als Deutschland-Zentrale Ausdruck gebend, die neue Moschee am Eingang des Stadtteils Ehrenfeld erheben. Ein offener Architekturwettbewerb, den Paul Böhm gewann, hat stattgefunden. Kölns Stadträte billigten die Baupläne der Ditib, die vom türkischen Staat an der kemalistischen Leine geführt wird und einen gemässigten Islam vertritt. Zum Sprecher der Widerstände machte sich die rechtspopulistische Initiative «Pro Köln». Als Ralph Giordano ebenfalls dazu aufrief, es nicht zum Bau der Moschee kommen zu lassen, sagten ihm Multikulturalisten einen Wechsel des politischen Lagers nach. Seine Wortmeldung musste irritieren, denn nach gängiger Vorstellung bilden Rechtsextremisten und Islamisten eine gemeinsame antisemitische Front. Dass es aussah, als finde Moschee-Kritik von rechts einen Bündnispartner im Juden Giordano, störte dieses Bild.
Aber nur vorübergehend. Auf Vorhaltungen, er heimse Beifall von falscher Seite ein, replizierte der Schriftsteller, er als Holocaust-Überlebender dürfe seine Meinung ja doch wohl vertreten, «ohne in einem Atemzug mit Pro Köln genannt zu werden». Um einen groben Keil nicht verlegen, bezeichnete er die Initiative als «lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus», deren Mitglieder, «wenn sie könnten, wie sie wollten, mich in eine Gaskammer stecken würden». Für diese Unterstellung hat er sich jetzt eine Strafanzeige eingehandelt.
Vor laufender Kamera stritt sich Giordano mit Bekir Alboga, dem Dialogbeauftragten der Ditib. Die Integration der Muslime in Deutschland sei gescheitert, urteilte er. Aus der vom Grundgesetz verbürgten Freiheit der Religionsausübung lasse sich «kein Grundrecht» auf die Errichtung einer «Grossmoschee» ableiten, der Bau setze ein falsches Zeichen. Alboga wollte Giordanos Rede von einer islamischen Parallelgesellschaft nicht gelten lassen, da Muslime in Deutschland sich der Verfassung unterwürfen und ihre Probleme vor deutsche Institutionen trügen. Parallelgesellschaft hiesse, einen eigenen Gerichtshof in der Moschee zu bilden. Eben das aber geschehe nicht.
Allzu nachlässig behandelte der Disput die Kernfrage: Fördert eine selbstbewusst daherkommende, im Stadtbild präsente Moschee eher die kulturelle Absonderung oder im Gegenteil die Integration der Muslime? Was diesen Punkt angeht, hat die Diskussion der vergangenen Woche niemanden schlauer gemacht. Stattdessen blieb hängen, dass Giordano eine mit einer Burka verhüllte Frau als «menschlichen Pinguin» titulierte. Den Tiervergleich nahm er umgehend zurück - nicht allerdings die (von Alboga geteilte) scharfe Ablehnung des Zwangs zur Vermummung.
Kulturelle Pflichten
Schon von Verfassung wegen besitzen Muslime in Deutschland das Recht, angemessene Stätten zur Ausübung ihrer Religion zu gründen. Das wissen auch jene Verfasser von «Handreichungen für Moscheebau-Verhinderer», die im Internet empfehlen, den Konflikt durch Bürgerbegehren und Normenkontrollklagen in Wahlkampfzeiten zu verschleppen. Kulturelle Fremdheit, man mag sich noch so sehr an ihr reiben, ist kein hinreichender Ablehnungsgrund. Das entbindet Muslime ihrerseits freilich nicht von der Pflicht zur Akkulturation. Obzwar viele Ängste in der eingesessenen Bevölkerung bloss diffus sind - vor Überfremdung, vor Moscheen als Rekrutierungsbüros für Terroristen -, muss man sie ernst nehmen. Die Türen der Ditib-Zentralmoschee sollen für jedermann offen stehen. Das ist ein richtiger Schritt. Die Gleichberechtigung der Frauen voranzutreiben, wäre ein anderer, sehr bedeutsamer. Ralph Giordano fände dann keinen Anlass mehr für «Pinguin»-Polemiken, und die Moscheebauer müssten seltener mit Widerständen kämpfen, die sie als überzogen beklagen.
Joachim Güntner
Berliner Zeitung, 19.05.2007
Moschee-Gegner stellen erneut Strafanzeige
Debatte um Schweinefleisch
Stefan Strauss
HEINERSDORF. Mitglieder der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb) haben am Donnerstagabend bei der Polizei per Internet Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen die Ahmadiyya Muslim Gemeinde gestellt, die in Heinersdorf eine Moschee baut. Als Grund für die Anzeige nennt Ipahb-Vorsitzender Joachim Swietlik die "menschenverachtenden Äußerungen im Zusammenhang mit dem Verzehr von Schweinefleisch und antisemitische Zitate aus Büchern der Gemeinde". Die Polizei bestätigte am Freitag den Eingang der Anzeige. Ob sie gerechtfertigt ist, prüfen Polizei und Staatsanwaltschaft, sagte eine Polizeisprecherin.
Die Strafanzeige der Moschee-Gegner bezieht sich auf den Text einer muslimischen Autorin, die auf der Internetseite der Ahmadiyya Gemeinde einen Aufsatz veröffentlicht hatte. Darin ging es um die negativen Folgen des Verzehrs von Schweinefleisch. Die Autorin behauptete, Schweinefleisch sei ungesund und fördere die Homosexualität. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisierte diesen Zusammenhang als "unverantwortlich". Ahmadiyya entfernte den Text inzwischen aus dem Internet.
Die Gemeinde reagierte verärgert auf die Strafanzeige. "Der Vorwurf der Volksverhetzung ist lächerlich und unhaltbar", sagte der Vorsitzende der Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Deutschland, Abdullah Uwe Wagishauser. "Offenbar suchen die Gegner nach immer neuen Möglichkeiten, um die Moschee in Heinersdorf zu verhindern." Der Grundstein für den Bau an der Tiniusstraße wurde bereits gelegt, die Moschee soll Anfang 2008 eröffnen.
Bereits Anfang April hatten elf Ipahb-Mitglieder Strafanzeigen gegen Senatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei), Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) und die SPD-Abgeordnete Christa Müller gestellt. Die Politiker hätten Mitglieder der Initiative im Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf die Moschee-Baustelle verleumdet und herabgewürdigt. Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft dauern an.
Berliner Morgenpost, 17.05.2007
Ahmadiyya-Gemeinde beginnt mit Moschee-Bau
Das Bau des umstrittenen Gotteshauses soll Mitte Juni starten, der Rohbau bis zum Jahresende fertiggestellt werden, erklärte der Bauleiter der Ahmadiyya-Gemeinden in Deutschland. Gegen die Errichtung gründete sich in dem Ortsteil eine Bürgerinitiative. In den Streit schalteten sich fast alle Berliner Parteien ein.
Die Ahmadiyya-Gemeinde will Mitte Juni mit dem umstrittenen Bau ihrer Moschee in Berlin-Pankow beginnen. Der Rohbau solle bis zum Jahresende fertiggestellt werden, erklärte der Bauleiter der Ahmadiyya-Gemeinden in Deutschland, Saeed Gessler, am Mittwoch auf Anfrage in Berlin. Eröffnet werden solle die Moschee im Osten Berlins im August 2008.
Die Ahmadiyya-Gemeinde hat rund 200 Mitglieder in Berlin und unterhält bislang ein Zentrum in Tegel. Aus Platzgründen plant sie in Pankow-Heinersdorf den Neubau einer Moschee mit Minarett. Gegen den Bau gründete sich in dem Ortsteil eine Bürgerinitiative. In den Streit schalteten sich fast alle Berliner Parteien ein. SPD, Grüne und die Linkspartei unterstützen den Bau, in der CDU ist die Meinung gespalten. Im vergangenen Dezember setzte die Ahmadiyya-Gemeinde den Grundstein. Seit einigen Wochen laufen die Abrissarbeiten sowie das Verlegen der Anschlüsse. Im März kam es zu einem vermutlich politisch motivierten Brandanschlag auf ein Baufahrzeug.
Wortführer gegen den Moscheebau ist die Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (ipahb). Die Bürgerinitiative hatte versucht, die Moschee mit zwei Bürgerbegehren zu verhindern. Das Bezirksamt Pankow lehnte diese aber als verfassungswidrig ab.
Dem Berliner Zweig der Ahmadiyya Muslim Gemeinde ist das bisherige Gemeindehaus im Bezirk Reinickendorf zu klein für ihre gut 200 Mitglieder geworden. Deshalb hatte die Gemeinde nach einem größeren Grundstück gesucht und ein früheres Gewerbegelände in der Tiniusstraße in Heinersdorf gekauft. Die Moschee des neuen Berliner Gemeindezentrums hier soll rund 500 Gläubigen Platz bieten. Bundesweit unterhält die Ahmadiyya Muslim Gemeinde mehr als ein Dutzend Moscheen. Der Verfassungsschutz stuft die Gemeinde als friedlich ein.
KNA/sei
JungeWelt, 16.05.2007
7000 falsche Stimmen
Bürgerbegehren gegen Moscheebau in Köln gescheitert. Rechte Organisation aus der Domstadt als Vorbild für »Bürgerbewegung Pro Deutschland«
Bei einer Unterschriftensammlung für das von der rechten Vereinigung »Pro Köln« initiierte Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld ist es offenbar nicht korrekt zugegangen. Bei einer amtlichen Überprüfung der eingereichten rund 23000 Unterschriften hat die Stadtverwaltung 7000 nicht anerkannt. Damit ist das Bürgerbegehren rechtlich unzulässig. Bei 3000 Unterschriften waren zum Beispiel die Angaben der Unterzeichner falsch oder unvollständig. Rund 1700 haben gleich mehrfach unterschrieben. An die 1450 waren nicht mit Hauptwohnsitz in Köln gemeldet, nicht wahlberechtigt oder haben nicht lesbare Angaben gemacht. Der Kommentar des Vorsitzenden von »Pro Köln«, Markus Beisicht: »Wir sind kalt erwischt worden.« Er kündigte aber an, für den Kampf gegen die »Islamisierung« der Domstadt weiter mobilzumachen. Dazu erlkärte er das Debakel zu einem »gewaltigen Fanal«, zu »einem wahrhaften Aufstand der Anständigen«, bei dem viele tausend Bürger Kölns »Gesicht gezeigt« hätten. Der Kampf gegen die »Multikulti-Apostel und Islamisierungs-Befürworter« trete jetzt in »seine entscheidende Phase«, tönte »Pro Köln«. Für Dienstag abend hatte die Organisation eine Mahnwache vor der Ratssitzung angekündigt, bei der die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens verkündet werden sollte. Am 29. Mai soll eine Aktion anläßlich der Bürgeranhörung stattfinden. Der Ehrenfelder CDU-Vorsitzende Jörg Uckermann habe ihn in einem Telefonat dazu »ermutigt«, vor der Anhörung »für öffentliche Resonanz zu sorgen«, sagte »Pro-Köln«-Funktionär Bernd Schöppe. Für den 9. Juni werde zudem ein Schweigemarsch vorbereitet. Neben dem Kölner Vorsitzenden Manfred Rouhs soll hier auch der Spitzenfunktionär der flämischen Neofaschisten Bert Debie auftreten. Laut dem jüngsten Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfallen liegen gegen »Pro Köln« »gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen vor«. Rouhs ist auch Vorsitzender der am 18. November 2006 gegründeten »Bürgerbewegung Pro Deutschland«.
Nachdem im Berliner Norden bereits 22000 Postwurfsendungen dieser Organisation verbreitet worden seien, würden noch vor den Sommerferien »zwei mal weitere Einzugsgebiete mit jeweils mehr als 20000 Sendungen beliefert, und zwar im Süden der BVV Reinickendorf und im Süden der BVV Pankow«. Unter anderem werde der gesamte Stadtteil Pankow erreicht werden, in dem unter anderem neofaschistische Organisationen bereits sei langem gegen den Bau einer Moschee in Berlin-Heinersdorf agieren.
Die Betonaufmischerin
Eine islamische Gemeinde lässt ihre Moscheen von einer Frau bauen – es klingt wie ein Widerspruch. Einer von vielen im Leben der Architektin Mubashra Ilyas
Von Claudia Keller, Frankfurt am Main
Wenn Männer dabei sind, bedeckt sie auch die Lippen. Sie zieht den Schal vor den Mund, sobald die Tür sich öffnet. Aber weil sie spricht, lebhaft, klar und selbstbewusst, rutscht er immer wieder ab. Mubashra Ilyas muss oft an ihrem Schal herumzupfen, sie tut es mit routinierter Bewegung, beiläufig, es stört sie nicht. Und auch sonst ist vieles, was auf andere Menschen hier komisch, fremd wirkt, für sie selbstverständlich. Zum Beispiel, dass Männer fremden Frauen nicht die Hand geben, dass Männer und Frauen sich nicht anschauen dürfen oder dass in Berlin-Heinersdorf eine Moschee gebaut wird. Die Moschee, die sie entworfen hat. Mubashra Ilyas, Architektin, 28 Jahre alt.
Im Januar erst hat sie ihr Studium an der Technischen Universität in Darmstadt beendet, und doch ist das Heinersdorfer Gebetshaus schon ihr drittes. Die Moschee in Offenbach bei Frankfurt ist fast fertig, und die in Bremen wurde vor drei Jahren eingeweiht.
Es ist eine interessante Verbindung. Eine junge selbstbewusste Architektin und die Ahmadiyya-Gemeinde. Eine Gemeinde, in deren Reihen die Meinung durchaus beliebt ist, dass sich das Hauptbetätigungsfeld einer Frau auf Haus und Familie zu beschränken habe. In deren Reihen es ein prominentes Mitglied gab, das ein Recht auf „leichte Züchtigung“ der Frau durch den Mann für richtig hielt.
Ausgerechnet eine solche Gemeinde also lässt das Heiligste, die Moscheen, von einer jungen Frau bauen? Ist Mubashra Ilyas nur ein Aushängeschild, ein Feigenblatt, um Modernität zu suggerieren? Aber auch: Wie geht das zusammen, dass eine Frau in Deutschland aufwächst, in Frankfurt am Main, Architektur studiert, nicht-muslimische Freundinnen hat und trotzdem eine arrangierte Ehe akzeptiert? Man kann sagen, dass sich in Mubashra Ilyas’ Leben die zwei Gesichter der Ahmadiyya-Gemeinde spiegeln, das rigoros Traditionelle und das Moderne. Sie vereint, was nicht vereinbar scheint, zumindest nicht für die Gegner und Befürworter der Heinersdorfer Moschee, die sich seit über einem Jahr erbittert bekämpfen.
Weil Gegner wie Befürworter nur auf die eine oder andere Seite starren und entweder aus den Texten der Gemeinde zitieren, die den Schleier für die Frau propagieren und ihre „Pflicht, ihrem Ehemann in allem, was nicht dem Islam widerspricht, zu gehorchen“; die eine aggressive Feindschaft zum Christentum dokumentieren und ein „vordemokratisches Staatsverständnis“ kritisieren. Oder eben den Blick ausschließlich auf die anderen Passagen lenken, die die Friedfertigkeit und Toleranz der Gemeinde beschwören und in denen davon die Rede ist, dass es der Frau frei steht, „in Staat und Gesellschaft alle jene Positionen einzunehmen, zu denen sie befähigt ist“ – „ob als Rechtsanwältin, Ärztin, Wissenschaftlerin, Lehrerin oder Dichterin“. „Es gibt viele Ahmadiyya-Frauen, die studiert haben und arbeiten“, sagt Ilyas. Zum Beispiel auch die Tochter des Berliner Imams.
Ilyas ist nicht die einzige, die die vermeintlichen Widersprüche lebt. Und an diesem Frühlingsmorgen sieht es ganz so aus, als würde es ihr dabei gut gehen. Sie sitzt in der Bauabteilung in der Deutschland-Zentrale der Ahmadiyya- Gemeinde, einem dreistöckigen Bürohaus in einem Industriegebiet in Frankfurt und blättert in Papieren voller Computer-Simulationen, voller Bilder der Heinersdorfer Moschee. Von vorn, also von der Heinersdorfer Tiniusstraße aus, werde man wahrscheinlich nur das zweistöckige Jugendfreizeithaus und den öffentlichen Spielplatz sehen, sagt Ilyas, von der Moschee im hinteren Teil des Areals wahrscheinlich nur das zwölf Meter hohe Minarett. „Die Gebäude sollen funktional sein“, sagt Ilyas. Auch die anderen Ahmadiyya-Moscheen sind schlichte Betonquader, mal gefliest, meist einfach weiß verputzt. Durch die Schlichtheit, hofft Ilyas, werden sich vielleicht auch die Nachbarn am ehesten damit arrangieren. Hier ist der Eingang für die Männer, hier der für die Frauen, sagt Ilyas und zeigt auf eine Zeichnung. Ob das nicht seltsam ist, dieses nach Geschlechtern getrennte Beten? „Wissen Sie, wenn man mit Männern zusammen ist, benimmt man sich automatisch anders“, sagt Ilyas bestimmt. „Wenn die Frauen unter sich sind und die Männer unter sich, kann man sich viel besser aufs Beten konzentrieren.“ Ilyas wurde wie ihre vier Schwestern in die Ahmadiyya-Gemeinde hineingeboren. Ihre Eltern sind vor 30 Jahren aus Pakistan nach Deutschland gekommen und haben den Glauben mitgebracht. Der Vater hat Englisch studiert und für die US-Armee in Frankfurt gearbeitet, jetzt ist er Rentner. Er hätte sie lieber als Ärztin oder Juristin gesehen, aber mittlerweile ist er stolz. „Als Architektin kann ich viel kreativer sein. Ich bin so ganz isch“, sagt die zierliche Frau, und es mogelt sich ein Brocken Hessisch in ihr Hochdeutsch.
Das Handy klingelt. Jemand aus Berlin will wissen, wann das Grundstück abgesteckt werden kann. Noch ist man dabei, die Altlasten abzureißen, die alten Garagen. Ein, zwei Wochen werde es wohl dauern, sagt Ilyas. Bei ihr laufen die Fäden zusammen, sie koordiniert Ingenieure und Vermesser, verhandelt mit dem Bezirk, erledigt Ausschreibungen. Der Leiter der Gemeinde-Bauabteilung sitzt ein paar Schritte von Ilyas entfernt. Wenn sie auf seine Fragen antwortet, schaut er aus dem Fenster. Als die Besucherin eine Frage stellt, versucht er, sie anzublicken, aber an Ilyas vorbeizusehen – eine der vielen Grätschübungen, die die Moralgesetze den Ahmadiyyas abverlangen. Man wolle den jungen Architekten in der Gemeinde eine Chance geben, sagt er. Deshalb habe man Ilyas ausgewählt, aber auch andere Studenten seien schon zum Zuge gekommen, alle hätten ihre Entwürfe ehrenamtlich erarbeitet. So spare die Gemeinde auch Geld.
Das Handy klingelt noch ein paar Mal. Einmal meldet sich die Mutter, die gerade auf Ilyas’ zweijährigen Sohn Danial aufpasst. „Der ist so lieb“, sagt Ilyas, sie habe ihn sogar auf Exkursionen nach Italien mitschleppen können. Demnächst, wenn sie eine Stelle in einem Architekturbüro gefunden hat, soll er in den Kindergarten – einen evangelischen. Wieder so eine Grätsche.
In manchen Schriften der Ahmadiyyas steht viel Christenfeindliches. „Der Koran verdammt mit äußerster Schärfe die Praxis der Kirche“, schrieb etwa der zweite Kalif 1967 und sprach von „scharfen Trennungslinien zwischen dem Christentum und dem Islam“. Er war sich sicher, dass „die Einheit Allahs triumphieren werde und alle anderen Gottheiten zugrundegehen werden“. Warum Mubashra Ilyas ihren Sohn dennoch in einem christlichen Kindergarten geben will, darauf mag sie nicht eingehen. Der Gedanke, dass es so wirken könne, als distanziere sie sich damit von ihrer Gemeinde, ist ihr sichtlich unangenehm; so will sie das nicht verstanden haben. Nur so viel: Schon ihre Schwestern und Neffen haben diesen Kindergarten besucht. Und: „Wir Ahmadiyyas sind nicht verbohrt.“
Später, im Auto auf der Fahrt zu der fast fertigen Moschee in Offenbach, erzählt ihr Mann, wie das mit ihnen beiden angefangen hat. Dass ihre Eltern sie füreinander ausgesucht haben, dass sie zwei Jahre lang verlobt waren und sich während dieser Zeit kennenlernen konnten und dann irgendwie sicher waren, ja, das könnte was werden. Mohammad Ilyas, 33, groß, schlank, schwarzer Anzug, steuert einen Alfa Romeo. Er ist Informatiker, hat eine Firma gegründet. „Liebe ist etwas, da muss man dran arbeiten“, sagt Mubashra Ilyas. Dann könne auch ohne Verliebtsein auf den ersten Blick eine große Liebe entstehen.
Auf die heikleren Fragen lässt sie jetzt aber doch lieber ihn antworten. Ob sie denn auch denken, was neulich im Ahmadiyya-Jugendmagazin stand: dass nämlich der Verzehr von Schweinefleisch zu Homosexualität führe? „Mmh.“ Mohammad Ilyas zögert. Es sei ja erwiesen, dass es nicht gesund sei, wenn man zu viel Schweinefleisch esse … Aber ob das etwas mit Homosexualität zu tun habe … das wisse er nicht.
Die Ilyas’ sind da, sie parken. Dass es sich bei dem rosafarbenen Bau vor ihnen um eine Moschee mit Minarett handelt, sieht man nur aus einem bestimmten Winkel. Demonstrationen und politische Debatten wie in Heinersdorf gab es hier nicht. Wenn Mubashra Ilyas sich nun bei Architekturbüros bewirbt, wird sie auch Fotos von dieser und den anderen Moscheen in die Mappe legen. Sie ist gespannt, ob ihr das zum Vorteil oder Nachteil gereichen wird. Aber sie sagt, dass sie sich sicher sei: Sie werde sich schon irgendwie durchsetzen mit ihrem Leben zwischen den Stühlen.
Berliner Morgenpost, 04.05.2007
Zwei Gegner der Moschee in Pankow festgenommen
Berlin (dpa/bb) - Zwei Gegner des Moscheebaus in der Tiniusstraße in Berlin-Heinersdorf sind am frühen Freitagmorgen festgenommen worden. Der 17- und der 24-Jährige hatten in der Damerowstraße Plakate der NPD gegen die geplante Moschee ankleben wollen, teilte die Polizei mit. Bei ihnen wurden eine Präzisionsschleuder und ein Totschläger gefunden. Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde will in der Tiniusstraße die erste Moschee im Ostteil der Stadt errichten. Dagegen gibt es Widerstand, so hatte eine Bürgerinitiative vergeblich zwei Bürgerbegehren gegen das Gebäude angestrengt. Die Moschee mit ihrem zwölf Meter hohen Minarett soll 2008 fertig gestellt sein.
PR-inside.com, 04.05.2007
Zwei Männer gefasst - Totschläger sichergestellt
Schmierereien gegen Moscheeneubau
Zivilfahnder haben am Freitagmorgen zwei Tatverdächtige nach einer Serie von Farbschmierereien gegen den Neubau einer Moschee im Pankower Stadtteil Heinersdorf festgenommen. Ermittler hätten die beiden Männer im Alter von 17 und 24 Jahren dabei beobachtet, wie sie in der Damerowstraße Verteilerkästen mit Parolen
gegen den Bau der Moschee beschmierten und Aufkleber anbrachten, sagte ein Polizeisprecher. Bei ihrer Überprüfung wurden zwei Totschläger und eine Präzisionsschleuder gefunden. Gegen die Männer wird wegen Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt. Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde will in der Heinersdorfer Tiniusstraße für ihre rund 250 Berliner Mitglieder eine zweistöckige Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett errichten. Der Grundstein für den ersten Moscheeneubau in Ostberlin war Anfang Januar gelegt worden. Ende März verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Baustelle. Gegen den Bau hat sich eine Interessengemeinschaft organisiert, die auch von der Pankower CDU und dem Unions-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, unterstützt wird. Die Gegner befürchten islamistische Aktivitäten. Der Berliner Verfassungsschutz sieht hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. An Demonstrationen gegen den Bau des muslimischen Gotteshauses nahmen auch immer wieder Anhänger der rechtsextremistischen NPD teil. (ddp)