Pressearchiv
Januar 2007
11.01.2007 Dialog der Kulturen
10.01.2007 Heinersdorfer Moscheebau beginnt
10.01.2007 Imam will gegen Moschee-Gegner klagen
06.01.2007 Der Ton wird schärfer
06.01.2007 Bischof Huber schaltet sich in Streit um Moschee ein
06.01.2007 Grundrecht gilt auch in Pankow
03.01.2007 Proteste bei Moschee-Grundsteinlegung
03.01.2007 Muslime bauen unter Polizeischutz
03.01.2007 Muslime kehren in Oberursel 30 Säcke Silvestermüll weg
03.01.2007 Lernt von den Muslimen
02.01.2007 Heinersdorf: Grundstein für erste Moschee im Osten gelegt
02.01.2007 Rede vom Bezirksbürgermeister Matthias Köhne zur Grundsteinlegung für den Moscheebau
DIE ZEIT, 11.01.2007
Dialog der Kulturen
Der Imam Abdul Tariq will in Berlin für seine Gemeinde eine Moschee errichten. Joachim Swietlik kämpft dagegen mit seiner Bürgerinitiative. Ein Streitgespräch
DIE ZEIT: Wir treffen uns hier auf neutralem Boden, in einem Fotostudio. Immerhin haben Sie beide sich zur Begrüßung die Hand gegeben.
Joachim Swietlik: Ich habe mir das, ehrlich gesagt, vorher gut überlegt. Als wir von der Bürgerinitiative uns zum ersten Mal mit den Mitgliedern der Ahmadiyyah-Gemeinde getroffen haben, da haben uns nämlich die Frauen den Handschlag verweigert mit der Begründung, das sei aus religiösen Gründen nicht üblich. Wir haben dann beschlossen, dass wir im Gegenzug den Männern der Gemeinde nicht die Hand geben. Aber jetzt sind wir ja quasi unter uns.
Abdul Tariq: Nach dem islamischen Glauben darf es keine Körperberührung zwischen fremden Männern und Frauen geben. Das geht nur im engeren Verwandtenkreis. Wir waren schon sehr verletzt, als Sie uns damals nicht die Hand gaben. Es hätte doch eine einfache Lösung gegeben: Die Männer geben den Männern die Hand, die Frauen den Frauen.
Swietlik: Sie haben sich nun mal entschlossen, in unserem Kulturkreis zu leben, und da ist der Gruß mit Handschlag Usus.
Tariq: Ich kann es nicht ändern, diese Sittlichkeit ist uns sehr wichtig. Der Heilige Prophet Mohammed, Gottes Friede sei mit ihm, hat fremden Frauen nie die Hand gegeben.
ZEIT: Herr Swietlik, der Imam wird mit seiner Gemeinde umziehen und eine neue Moschee in Berlin-Heinersdorf bauen, die erste Moschee im Ostteil der Stadt. Der Grundstein wurde gerade gelegt. Warum wollen Sie ihn nicht als Nachbarn haben?
Swietlik: Wir sind nicht pauschal gegen Moscheen. Wir finden nur, eine Moschee sollte da stehen, wo die Gemeinde ihren Lebensmittelpunkt hat oder die Mehrzahl der Gemeindemitglieder. In diesem Fall wohnt die Hälfte in Reinickendorf, wo die bisherige Moschee in einem Einfamilienhaus untergebracht ist, und die andere Hälfte über die Stadt verteilt. Die Mitglieder der Gemeinde würden touristengleich durch die Stadt nach Heinersdorf fahren, ein paar Kilometer entfernt, dort ihr Gebet verrichten und wieder nach Hause fahren. Ein guter Muslim soll fünfmal am Tag beten. Also fahren die die ganze Zeit nur hin und her.
Tariq: Kaum einer kommt fünfmal am Tag zum Gebet, die Leute sind ja berufstätig. Wir sind meistens nur 10 bis 15 Leute, nur am Freitag sind wir 80 bis 100. Es gibt die Regel: Wenn die Moschee zu weit weg ist, kann man die Gebete auch zu Hause verrichten.
Swietlik: Warum brauchen Sie dann überhaupt eine neue Moschee? Sie haben doch immer gesagt, Sie benötigen mehr Platz. Da klaffen doch Behauptung und Realität auseinander, und wir fragen uns: Wie glaubwürdig sind Sie? Herr Tariq, Sie sind in Heinersdorf nicht beliebt; wir haben mehr als 6000 Unterschriften gegen Sie gesammelt. Wieso sind Sie nicht woanders hingegangen?
Tariq: Ach, wissen Sie, ich habe inzwischen gelernt, dass in Deutschland niemand eine Moschee in seiner Nachbarschaft haben will, genauso wie niemand ein Gefängnis will, eine Mülldeponie und auch kein…
Swietlik: …kein Atomkraftwerk!
Tariq: Genau. Egal, wo wir bauen: Wir werden nicht mit Blumen empfangen.
ZEIT: Bisherige Gesprächsversuche zwischen Ihnen waren nicht sonderlich erfolgreich. Auf einer Versammlung in Heinersdorf haben Moscheegegner gerufen: »Wir sind das Volk« und »Haut ab«.
Tariq: An diesem Abend habe ich mich wirklich gefragt: Bin ich in Deutschland, in einem Land mit Religionsfreiheit?
Swietlik: Die Stimmung war sehr aufgeheizt. Ich denke, dass die NPD und die Republikaner dort Leute hingeschickt haben. Wir lassen keine Gelegenheit aus, uns von denen zu distanzieren. Die Situation war auch für uns beängstigend. Unsere Frauen haben übrigens Ihre Frauen in einen in der oberen Etage gelegenen Raum geführt und beruhigt.
ZEIT: Herr Swietlik, warum fürchten Sie den Islam?
Swietlik: Wir sehen jeden Abend, wenn wir den Fernseher anschalten, wie sich die Sunniten und die Schiiten massakrieren, und sie alle bezeichnen sich als Vertreter der Religion des Friedens. Und Sie, Herr Tariq, sind nicht nur ein religiöser Amtsinhaber, Sie unterstehen dem Kalifen von London. Sie wollen doch einen Kalifatenstaat errichten.
Tariq: Um Himmels willen, nein! Wir trennen Staat und Kirche. Wenn wir das nicht täten, dann wären wir nicht besser als die Mullahs in Pakistan, die Menschenrechte verletzen – und unter anderem uns Ahmadis verfolgen, weshalb ich nicht in Pakistan leben kann. Der Kalif von London, dem wir unterstehen, ist ein religiöser Führer. Er redet in seinen Freitagsansprachen über Moral, über Erziehung der Kinder, über Engel und das Fasten. Manchmal werden seine Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, und dann heißt es: Der vierte Kalif hat gesagt: »Der Endsieg wird kommen.« Wenn ein Deutscher das hört, denkt er natürlich an Weltherrschaft.
ZEIT: Herr Tariq, der Verfassungsschutz hält Ihre Gemeinde für unbedenklich. Aber es gibt Menschen, die im Namen Ihrer Religion andere töten. Können Sie Herrn Swietliks Sorge verstehen?
Tariq: Ich habe ja auch Angst vor den Fundamentalisten. Gewalt hat keinen Platz im Islam. Ich gebe Herrn Swietlik das Recht, Angst zu haben. Bloß hat er immer diese Zettel dabei, auf denen er die Sätze markiert hat, die seiner Meinung nach belegen, dass wir politische Absichten haben. Herr Swietlik betrachtet uns mit einer feindseligen Grundhaltung.
Swietlik: (holt einen Computerausdruck hervor) Hier ist eine Rede Ihres Kalifen vom 9. Juni. Das Thema ist Gehorsam. Hinter Ihrer Vorstellung von Gehorsam steckt doch ein Führergedanke. Das hatten wir in Deutschland schon mal.
Tariq: Na, vielen Dank. Ich sage Ihnen was: Wir lieben unseren Kalifen sehr, und wir gehorchen ihm aus Liebe. Wenn der Kalif nach Berlin kommt, empfangen wir ihn mit großer Freude und Aufregung. Es gab einmal eine schwangere Frau in meiner Gemeinde. Die Entbindung war sehr kompliziert, es hieß, das Leben von Frau und Kind ist in Gefahr. Der Kalif hat die ganze Nacht vor der Geburt gebetet und geweint. Das Kind ist gesund zur Welt gekommen, der Frau ging es gut. Der Kalif will nur Gutes für uns.
Swietlik: Wir halten Sie nicht für Terroristen. Aber wir verstehen auch nicht, wo in dieser Gemeinde, die sich als liberal bezeichnet, der Reformgedanke sein soll.
Tariq: Unsere Definition von liberal ist nicht, dass Frauen keinen Schleier tragen, in die Disco gehen und alles tun, was im Islam verboten ist. Für die Integration sind andere Dinge wichtig. Ich halte zum Beispiel meine Ansprachen an die Gemeinde immer auf Deutsch, und unsere Gemeindemitglieder regen wir dazu an, deutsch zu reden.
Swietlik: Sie reden vielleicht deutsch, aber bei Ihnen gibt es auch arrangierte Ehen. In unserem Grundgesetz ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. Da sehen wir einige Widersprüche. Ich habe eine Tochter, die ist zwanzig, die hat sich dazu entschieden, mit einer Frau zu leben. Als Vater hatte ich eigentlich eine andere Lebensplanung, ich dachte, sie sucht sich einen Mann, gründet eine Familie. Aber ich habe kein Recht, ihr vorzuschreiben, wie sie leben möchte.
Tariq: Ich bin hundert Prozent einverstanden mit Ihnen. Die Eltern dürfen keinen Zwang auf ihre Kinder ausüben. Ich habe auch eine Tochter und einen Sohn. Sie ist 23 und lebt mit ihrem Mann in Aschaffenburg; er ist 21 und studiert in Toronto. Ich bin nur ihr Berater.
ZEIT: Haben Sie die Ehe Ihrer Tochter arrangiert?
Tariq: Ich habe für meine Tochter einen Mann gesucht, der Informatik studiert hat, der gut verdient, er sieht sehr gut aus. Aber eine Eheschließung ist im Islam nur gültig, wenn der Mann der Braut gefällt. Deswegen haben wir meiner Tochter monatelang die Chance gegeben, diesen Mann kennenzulernen in der Anwesenheit ihrer Eltern. Die beiden haben gemeinsam gegessen, sich stundenlang unterhalten, und dann hat sie gesagt: Ich bin einverstanden. Da war kein Zwang.
ZEIT: Und wenn Ihre Tochter selbst einen Mann kennengelernt hätte?
Tariq: Ich hätte gesagt, ich will ihn mal sehen, und wenn er mir gefallen hätte, dann hätte ich vielleicht gesagt: Ja, gut. Auch wenn es theoretisch denkbar ist – ich persönlich kenne keinen Fall, dass eine Tochter ihrem Vater den Bräutigam vorgeschlagen hätte.
Swietlik: Wir haben ja bei einer Diskussion mal Ihre jungen Mädchen kennengelernt, zwei Gymnasiastinnen, elfte und zwölfte Klasse, sehr hübsche Mädchen, die auch mit Kopftuch sehr aparte Erscheinungen sind. Wenn sich eines dieser Mädchen für einen Atheisten oder einen Angehörigen einer anderen Religion entscheiden würde – was würde passieren?
Tariq: Es wird immer behauptet, es gebe die Regel, dass eine muslimische Frau hingerichtet werden soll, wenn sie einen Nichtmuslim heiratet. Der Islam verbietet das, aber der Mann kann konvertieren, das ist die Regel. Konvertiert der Mann nicht, und die Frau entscheidet: Meine Liebe zu diesem Mann ist größer und stärker als mein Glaube…
ZEIT: …ist sie aus der Gemeinde ausgeschlossen.
Tariq: Aber sie wird nicht bestraft. Sie kann leben wie zuvor. Sie darf ihre Verwandten sehen und auch Gemeindemitglieder. Und wenn sie sich korrigiert, darf sie wieder zurückkommen.
ZEIT: Herr Swietlik, Sie lesen zurzeit den Koran.
Swietlik: Von hinten nach vorn. Die ersten Suren sind sehr lang. Das ist ja ein sehr abstrakter, schwieriger Text, sogar Goethe hatte damit seine Schwierigkeiten. Der hat den Koran nach ein paar Stunden in die Ecke gefeuert. Es gibt da ja auch so viele Widersprüche. Einmal sagt Allah so, einmal sagt er das Gegenteil.
Tariq: Goethe hatte Respekt vor dem Koran, ich könnte Ihnen Zitate von ihm vorlesen. Ich sage Ihnen, wenn man eine heilige Schrift liest und schon Vorurteile hat, findet man viele Punkte, die diese Vorurteile bestätigen. Eine religiöse Schrift kann man nicht verstehen ohne religiöses Wissen.
ZEIT: Herr Swietlik, Sie sind evangelisch getauft.
Swietlik: Nun ja, als Kind wird man ja nicht gefragt. Zur Kirche gehe ich nur noch zu touristischen Zwecken. Der Atmosphäre einer Kirche am Heiligen Abend kann sich natürlich niemand entziehen. Aber ich bin noch nie zum Beten in die Kirche gegangen. Für mich war das eher wie auf den Eiffelturm zu steigen, wenn man in Paris ist.
ZEIT: Sind Sie manchmal neidisch, dass andere Menschen glauben können?
Swietlik: Neidisch nicht. Ich denke schon auch, dass es da ein höheres Wesen gibt, Gott oder Allah oder Krischna. Das scheint ja ein menschliches Grundbedürfnis zu sein: dass man jemanden sucht, dem man das Herz ausschütten kann, wenn es mal nicht so läuft. Ich kenne das. Als ich längere Zeit arbeitslos war, in verzweifelten Momenten, als es mir finanziell bis zum Hals stand und ich dachte, jetzt stürzt alles über mir zusammen, da habe ich abends im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und gesagt: Wenn du da bist, dann gib mir doch mal ’nen kleinen Schubs.
Tariq: Das ist das Problem zwischen Herrn Swietlik und mir. Ich habe schon oft erlebt, dass Gott meine Gebete erhört hat, ich weiß, dass Gott lebendig ist. Ein Mann, der Gott nicht erfahren hat, hat natürlich Probleme, manche religiöse Wahrheiten zu verstehen.
ZEIT: Herr Tariq, Sie beten fünfmal am Tag. Auch für Herrn Swietlik?
Tariq: Ich bete für die Heinersdorfer, die gegen uns sind, dass Gott ihnen zeigen möge, dass unsere Gemeinde eine friedliche Religion praktiziert.
ZEIT: Herr Swietlik, ist es eine unangenehme Vorstellung für Sie, dass Herr Tariq für Sie betet?
Swietlik: Das nicht, aber surreal ist es schon.
Abdul Tariq bittet um eine kurze Pause. Nach zehn Minuten geht das Gespräch weiter.
Tariq: Wissen Sie, was ich einfach nicht verstehe, Herr Swietlik? Es gibt in Berlin schon so viele Moscheen. Wieso haben Sie etwas gegen unsere? Warum hetzen Sie die Menschen gegen uns auf?
Swietlik: Ich hetze niemanden auf, das ist gar nicht nötig. Wir sammeln seit mehreren Wochen jeden Samstag Unterschriften, und wir müssen nicht einen Menschen ansprechen, sie strömen zu uns.
Tariq: Ich erzähle Ihnen mal, was mir vor zwei Tagen in Heinersdorf passiert ist. Ich stand vor unserem Baugrundstück, da kam ein junger Mann mit einem Auto angefahren. Er hat angehalten und mit der Hand eine Schießbewegung gemacht, in meine Richtung.
ZEIT: Herr Tariq, Sie sind seit 25 Jahren in Deutschland, seit 1997 sind Sie deutscher Staatsbürger. Fühlen Sie sich hier heimisch?
Tariq: Meine Heimat ist Pakistan. Bis ich das Gefühl hatte, dass Deutschland meine zweite Heimat ist, hat es ein wenig gedauert. In den ersten Jahren hier kannte ich nicht mal meine Nachbarn. Die Menschen haben mich nicht sehr offen empfangen. Aber es gab viele Dinge, die ich sofort geschätzt habe: Die Bahn kam auf die Minute pünktlich an. Und dann die Sauberkeit!
ZEIT: Was mögen Sie an Ihrem Land, Herr Swietlik?
Swietlik: Dass hier jeder nach seiner Fasson glücklich werden kann. Dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit herrschen. Und wir haben all die kulturellen Errungenschaften: Schiller, Goethe, die Philosophen.
Tariq: Ich habe in Islamabad Germanistik studiert. In den siebziger Jahren war das, meine Lehrerin kam aus Berlin. Ich habe eine Arbeit über Goethes Faust geschrieben…
Swietlik: …das wusste ich gar nicht…
Tariq: …und über die Stellung der Frau anhand von Wilhelm Tell und über Kleists Zerbrochenen Krug. Ich habe so schöne Dichtungen gelesen von Heinrich Heine und natürlich Lessings Nathan der Weise. Daraus kann man ja lernen: Alle Religionen besitzen die Wahrheit.
Swietlik: Ich muss zugeben: Das finde ich beeindruckend. Im Italienurlaub sagt ein Engländer zu einem »Du Kraut!«, und in Pakistan setzt sich wirklich jemand mit unserer Kultur auseinander.
ZEIT: Haben Sie die Bücher gelesen, die Herr Tariq eben aufgezählt hat?
Swietlik: Na ja, teilweise, in der Schule. Doch eine Frage hätte ich jetzt: Werden die Imame zielstrebig so ausgebildet, dass sie später ihren Glauben verbreiten können?
Tariq: Weil wir verfolgt werden, leben unsere Mitglieder weltweit verstreut. Ich habe Deutsch studiert, weil ich wusste, dass ich in Deutschland eingesetzt werden sollte. Wissen Sie was, Herr Swietlik? Ich würde ja vorschlagen, wir treffen uns mal in einem Café, dann könnten wir uns weiter über die deutsche Kultur unterhalten. Oder ich lade Sie mal ein zu mir nach Hause.
Swietlik: Ich habe mit Herrn Tariq als Person überhaupt kein Problem. Wenn ihm als Muslim der Alkohol nicht gerade verboten wäre, würde ich ja sagen: Wir könnten mal ein Bier trinken. Ich habe leider keinen Vater mehr, für meine Kinder wäre er der ideale Großvater. Wenn seine Religion bloß Religion wäre, für mich wäre alles in Ordnung.
Tariq: Die politischen Ansprüche! Die Weltherrschaft! Sie haben Angst vor der Herrschaft der wilden Tiere. Und ich habe Hoffnung auf den Duft der Blumen.
ZEIT: Was würden Sie kochen, Herr Tariq, wenn Sie Herrn Swietlik einladen würden?
Tariq: Meine Frau würde kochen: Rindfleisch, Reis, Salat, Hähnchen und Fisch. Natürlich nichts, was bei uns verboten ist.
ZEIT: Könnte Herr Swietlik sich auch mit Ihrer Frau unterhalten?
Tariq: Sie würde ihn begrüßen, aber ohne Handschlag. Und Herr Swietlik müsste Verständnis dafür haben, dass seine Frau, wenn sie mitkommt, zusammen mit meiner Frau in einem anderen Zimmer sitzen würde als wir Männer.
Swietlik: Das ist nicht akzeptabel. Das würde ich den Frauen gegenüber unhöflich finden.
Tariq: Meine Frau ist in Pakistan geboren, und sie fühlt sich sehr frei. Wenn Frauen unter sich sind, fühlen sie sich sehr wohl. Wir hatten neulich mal eine Deutsche zu Besuch. Sie fand es am Anfang seltsam, aber als das Essen vorbei war, sagte sie: Wir haben über unsere eigenen Themen gesprochen, über Kinder, Männer, den Haushalt, das kann man mit Männern gar nicht besprechen.
Swietlik: Vielleicht sollten Sie Ihre Frau einfach selbst entscheiden lassen?
Tariq: Ich bin ganz sicher, sie würde getrennte Räume wollen. Ich muss ihr gegenüber überhaupt keinen Zwang anwenden; Sie tut das von sich aus.
ZEIT: Herr Tariq, Herr Swietlik, haben Sie beide Fehler gemacht im Streit um die Moschee?
Tariq: Wir hätten vorher das Vertrauen der Bürger gewinnen müssen. Wir hätten stärker auf die Heinersdorfer zugehen und sagen müssen, wer wir sind und was wir machen wollen.
Swietlik: Am Anfang waren wir nicht gut genug organisiert, und wir sind in ein paar Fettnäpfchen getreten: Wir haben uns zuerst nicht entschieden genug gegen die NPD und die Reps abgegrenzt.
Tariq: Sie werden schon sehen, Herr Swietlik: Wenn wir erst einmal in Heinersdorf sind, werden Sie uns langsam lieben lernen.
Swietlik: Da sind noch zu viele offene Fragen, dafür, dass wir uns lieben lernen könnten. Ich glaube, Sie denken in einer ganz anderen Logik als ich.
Das Gespräch führten Tanja Stelzer und Matthias Stolz Abdul Tariq , 59, ist Imam der Berliner Ahmadiyyah-Gemeinde. Er kam 1982 aus Pakistan nach Deutschland, die Ahmadi-Muslime werden in seiner Heimat verfolgt Joachim Swietlik , 43, ist Vorsitzender der »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger«. Er arbeitet als selbstständiger Glastechniker
Berliner Woche,
10. Januar 2007
Heinersdorfer Moscheebau beginnt
In der vergangenen Woche wurde der Grundstein gelegt
Heinersdorf. Seit März ist bekannt, dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde an der Tiniusstraße 5 eine Moschee bauen will. Seitdem wehren sich einige Heinersdorfer leidenschaftlich gegen das Bauprojekt. Verhindern konnten sie es dennoch nicht. In der vergangenen Woche wurde der Grundstein gelegt.
Ungefähr 50 Gegner des Moscheebaus protestierten am Rande der Grundsteinlegung lautstark, aber friedlich. Sie brachten noch einmal ihr Unverständnis zum Ausdruck, warum gerade in einem Ortsteil, wo keine Muslime wohnen, ein solches Gotteshaus gebaut wird. Monatelang versuchten die Gegner, mit zahlreichen Protestaktionen den Bau zu verhindern. Zwei Anträge auf Bürgerbegehren wurden indes vom Bezirksamt abgelehnt.
Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde plant, auf dem Gelände eine zweigeschossige Moschee mit einem Minarett zu bauen. Die ersten 20 Steine für das Minarett wurden am Dienstag vergangener Woche gelegt. Neben den Mitgliedern der Gemeinde waren auch Vertreter des Senats und des Bezirks bei der Grundsteinlegung zugegen. Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) begrüßte den Beginn der Bauarbeiten. Zwar gab er in seiner Rede zur Grundsteinlegung zu, dass ihm »einige Auffassungen« der Ahmadiyya Muslim Gemeinde »etwas suspekt« und »voraufklärerisch« vorkämen, jedoch betonte er, dass es sich bei dieser Religionsgemeinschaft um eine »in Deutschland lange Jahre ansässige Gemeinde handelt, die bisher keinen Anlass lieferte, als gewaltbereit, militant, kriminell oder verfassungsfeindlich eingestuft zu werden«. Köhne appellierte noch einmal an Gemeinde und Moscheegegner, Toleranz und Vertrauen zu zeigen. Eine Million Euro wird die Gemeinde in den Bau investieren. Spätestens im zweiten Halbjahr 2008 soll die Moschee fertig sein. Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Kommentar auf Seite 2. st
Ich meine – Der Kommentar
Tatsachen akzeptieren
Niemand kann einem verbieten, Angst zu haben oder in Sorge zu sein. Niemand zwingt einen, etwas gutzuheißen. Was ich nicht gut finde, kann ich auch mit friedlichem Protest ablehnen. Nur sollte es mir dabei noch möglich sein, etwas zu akzeptieren. Zugegeben, das fällt nicht immer leicht. Aber dass die Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Heinersdorf eine Moschee baut, ist spätestens seit der vergangenen Woche eine Tatsache. Und die Sorgen und Ängste einiger Heinersdorfer werden daran nichts ändern.
Die Gegner des Moscheebaus haben verloren, auch das muss man akzeptieren. Jetzt beginnt die Stunde, in der alle Seiten zeigen können, wofür sie stehen. Viele der Moscheegegner haben immer wieder betont, nicht fremdenfeindlich zu sein, »nichts gegen die Menschen zu haben«, die hier bauen wollen. Die Gemeinde hat immer wieder gesagt, dass ihr an einem nachbarschaftlichen Miteinander viel liegt. Nun ist es Zeit, dies zu beweisen. Die Heinersdorfer, indem sie bereit sind, den Moscheebau als Tatsache anzunehmen, und den Kontakt zu ihren neuen Nachbarn suchen. Die Gemeinde, indem sie sich schon während des Baus ihres Gemeindezentrums und verstärkt nach dessen Fertigsstellung den Heinersdorfern öffnet, sie am Werden und Wachsen der Moschee teilhaben lässt. Wir Pankower sollten jetzt zeigen, dass gerade bei uns ein tolerantes Miteinander und ein offener Dialog bei allem Trennenden in den Ansichten möglich ist. Hendrik Stein
Berliner Zeitung, 10.01.2007
Imam will gegen Moschee-Gegner klagen
Muslime fühlen sich durch Fotomontage "sehr beleidigt"
Stefan Strauss
PANKOW. Was das Bezirksamt Pankow nicht tut, übernehmen jetzt die Unterstützer des Moscheebaus der Ahmadiyya Muslim Gemeinde in Heinersdorf: Nach Informationen der Berliner Zeitung will die Initiative "Heinersdorf öffne dich!" Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die Moschee-Gegner der Initiative Pankower und Heinersdorfer Bürger (ipahb) erstatten.
Auf ihrer Internetseite hatte die Initiative in der vergangenen Woche eine Fotomontage mit den Porträts Pankower Lokalpolitiker von SPD, Linkspartei.PDS und Grünen sowie des weltweit obersten Vertreters der Ahmadiyya Gemeinde veröffentlicht. In Anlehnung an John Heartfields Anti-Hitler-Plakat aus dem Jahre 1932 steht der Spruch "hinter uns stehen Millionen" auf dem Bild, ein trojanisches Pferd symbolisiert die Angst der Moschee-Gegner vor einem "Heinersdorf als Ahmadiyya-Land". Am Wochenende nahm die Initiative die Fotomontage aus dem Netz, wohl aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen. "Wir wollten niemanden provozieren", sagte Joachim Swietlik, Vorsitzender der ipahb.
Das Bezirksamt Pankow wird nichts gegen die Moschee-Gegner unternehmen. "Wir werden keine rechtlichen Schritte einleiten", sagte gestern Bürgermeister Matthias Köhne (SPD). Schließlich habe die ipahb das Bild aus dem Internet entfernt. Prompt tauchte gestern Mittag das umstrittene Bild wieder auf der Seite auf. Inzwischen denkt auch der Imam der Ahmadiyya Muslim Gemeinde über rechtliche Schritte nach. "Das Bild ist eine unmögliche Art der Beleidigung. Als würden wir durch Betrug fremdes Land besiedeln", sagte Abdul Basit Tariq.
Befürworter der Moschee wollen die Ahmadiyya Gemeinde bald als "neue Nachbarn" in Heinersdorf offiziell empfangen, sagte Sven Ihden von der Initiative "Heinersdorf öffne dich!". Nur ein "harter Kern" wehre sich noch gegen die Moschee. "Viele Heinersdorfer haben in den vergangenen Monaten viel dazugelernt", sagte Ihden. Die allgemeine Anspannung habe "enorm nachgelassen". Zu den Unterstützern der Initiative gehören Politiker wie Wolfgang Thierse, Lothar de Maizière, zahlreiche Anwohner und Künstler, darunter auch Regisseur Andreas Dresen.
Berliner Zeitung, 06.01.2007
Der Ton wird schärfer
Moschee-Gegner attackieren Politiker im Internet / Bischof Huber: Ahmadiyya soll sich erklären
Stefan Strauss
Die Moschee-Gegner im Pankower Ortsteil Heinersdorf geben nicht auf: Drei Tage nach der Grundsteinlegung durch die Ahmadiyya Muslim Gemeinde attackieren sie im Internet Pankower Politiker. In Anlehnung an John Heartfields Anti-Hitler-Plakat von 1932 "Millionen stehen hinter mir!" erschien auf der Internetseite der Initiative Pankower und Heinersdorfer Bürger (ipahb) eine Fotomontage mit dem abgewandelten Spruch sowie den Porträts von Pankower Politikern und dem weltweiten Oberhaupt der Ahmadiyya Gemeinde vor einem trojanischen Pferd.
"Mit so einem Plakat wird eine unsachliche und verschwörungstheoretische Angst vor dem Islamismus geschürt", sagt Peter Widmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität. Das Plakat sei polemisch. "Die Gestalter sehen sich als Kämpfer gegen die große Gefahr des Islamismus", so Widmann. Das Plakat assoziiere, mit der Moschee würden "Millionen" Muslime nach Heinersdorf strömen, ihre Moschee sei eine Art trojanisches Pferd.
Eine "Steckbriefmentalität" sieht der Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer, in dem Plakat. "Das ist billig und peinlich. Das demokratische Grundverständnis der Moschee-Gegner ist doch sehr zweifelhaft", sagte er. Für den Pankower SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg ist das Plakat "einfach nur geschmacklos". "Die Moschee-Gegner müssten endlich akzeptieren, dass die Ahmadiyya-Gemeinde ihre Moschee in Heinersdorf bauen darf."
Die abgebildeten Bezirkspolitiker reagierten am Freitag verärgert. "So ist kein sachlicher Dialog mehr möglich", sagte Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). Am Dienstag will das Bezirksamt Pankow darüber beraten, ob es juristisch gegen die Urheber vorgehen wird. "Das Plakat befindet sich am Rande der Legalität", sagte der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung, Burkhard Kleinert (Die Linke.PDS). Von "Demagogie" spricht Stadtrat Jens-Holger-Kirchner (Grüne). Es gehe den Moschee-Gegnern "nicht um eine sachliche Auseinandersetzung". Sie verbreiteten die Nachricht, mit einem weiteren Grundstücksverkauf in Nähe der Moschee werde "Heinersdorf zum Ahmadiyya-Land". Dabei wird dort eine Autowerkstatt gebaut.
Der Vorsitzende der Ipahb, Joachim Swietlik, verteidigte das Plakat auf der Internetseite seiner Initiative. Ein Grafiker habe die Fotomontage angeboten. "Im Rahmen der Kunstfreiheit haben wir da keine Bedenken. Jeder kann den Inhalt für sich interpretieren." Swietlik lehnte auf Nachfrage eine eigene Interpretation des Plakats ab. Es gebe, so Swietlik, in Heinersdorf immer noch "berechtigte Hoffnungen", die Moschee auf juristischem Wege zu verhindern. In Kürze werde es erneut eine Demonstration geben. Der Bischof der evangelischen Kirche Berlin/Brandenburg, Wolfgang Huber, hat sich am Freitag in einem Kommentar zu dem Thema geäußert. Warum die Ahmadiyya in Pankow bauen will, habe noch keiner erklärt. Angehörige dieser Glaubensrichtung gebe es dort nicht.
Die Welt, 06.01.2007
Bischof Huber schaltet sich in Streit um Moschee ein
Der evangelische Bischof Wolfgang Huber hat sich in den Streit um die geplante Moschee im Ortsteil Pankow-Heinersdorf eingeschaltet. Die Ahmadiyya-Gemeinde, die die Moschee baut, müsse erklären, warum sie den Standort gewählt habe, forderte Huber.
Berlin - Angehörige der Glaubensrichtung gebe es in dem Ortsteil nicht. Seitens der Gemeinde fehlten wichtige Informationen, "auf die man sich verlassen kann", meinte Bischof Huber weiter.
Der Grundstein für die erste Moschee im Ost-Teil der Stadt war am Dienstag gelegt worden. Zwei Bürgerbegehren gegen den Bau blieben ohne Erfolg. Nach Angaben der Ahmadiyya-Gemeinde wohnen deren 200 Mitglieder über die ganze Stadt verstreut. Die Gemeinde unterhält bislang ein Zentrum in Tegel. Ihre Vertreter erklärten, dass sie auch in anderen Bezirken der Stadt nach geeigneten Grundstücken gesucht hätten.
Grundrecht gilt auch in Pankow
CHRISTINE RICHTER hofft, dass die Moschee ohne Zwischenfälle gebaut werden kann
Sie lassen sich nicht unterkriegen, die Gegner des Moschee-Neubaus im Pankower Stadtteil Heinersdorf. Auch zur gestrigen Grundsteinlegung kamen sie, um lautstark gegen den Bau des Gotteshauses in ihrem Bezirk zu protestieren. So laut, dass mancher Festredner kaum zu verstehen war. Schade.
Es ist auch schade, dass es in den vergangenen Monaten nicht gelungen ist, einen Dialog zwischen der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde und der Pankower Bürgerinitiative, die die Muslime nicht in ihrer Nähe sehen will, herzustellen. Die Gemeinde bot dieses Gespräch an, die Mitglieder der Bürgerinitiative ließen sich darauf kaum ein, denn ihr Ziel bestand darin, den Moscheebau zu verhindern. Nun, dieses selbstgesteckte Ziel haben sie nicht erreicht. Gestern wurden die ersten Steine gelegt, bis Anfang 2008 soll die Moschee errichtet werden. Soll, denn noch ist nicht klar, ob die Bauarbeiten ohne Störungen verlaufen werden.
Die Polizei bereitet sich angesichts der anhaltenden Proteste auf Maßnahmen vor, um den störungsfreien Ablauf der Bauarbeiten zu gewährleisten. Noch gibt es keine Hinweise darauf, dass morgen die Baustelle verwüstet werden soll oder gar Schlimmeres geplant ist. Aber vielleicht wird es nötig sein, jeden Tag eine Polizeistreife an dem Baugrundstück vorbeizuschicken, vielleicht braucht man aber auch einen Objektschutz rund um die Uhr - so wie es bei Botschaften oder jüdischen Einrichtungen schon heute der Fall ist. Schön wäre das nicht.
Viele Pankower haben den Bau der Moschee abgelehnt. Sie handelten klug, wenn sie ihren Widerstand gegen die Muslim-Gemeinde jetzt einstellten. Zur Religionsfreiheit in Deutschland gehört auch der Bau eines Gotteshauses. Und dieses Grundrecht muss, wenn nötig, von der Polizei durchgesetzt werden. Die Welt, 03.01.2007
Proteste bei Moschee-Grundsteinlegung
Die ersten 20 Steine für das Fundament des Minaretts der Khadija-Moschee sind gelegt. Der Integrationsbeauftragte hofft trotz Kritik von Anwohnern auf ein friedliches Miteinander.
Von Steffen Pletl
Trotz massiver Proteste der Anwohner nimmt der Neubau der ersten Moschee im Osten Berlins an der Tiniusstraße 5 sichtbare Konturen an. Gestern wurde der Grundstein für das Gotteshaus der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde Richtung Mekka ausgerichtet. "Jetzt ist auch vielen Heinersdorfern klar: Wir müssen um Kompromisse ringen und nach Möglichkeiten für ein friedliches Neben- und Miteinander im Kiez suchen", sagt Pankows Bezirksbürgermeister Mathias Köhne (SPD) am Rande der Grundsteinlegung für das neue Gotteshaus in Heinersdorf.
Die ersten 20 Steine für das Fundament des zwölf Meter hohen Minaretts der Khadija-Moschee sind gelegt - ein festlicher Augenblick für die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde, zu dem der Kalif Hazur eigens aus London in die Hauptstadt angereist war.
Hinter einem kaum übersehbaren eigenen Sicherheitsaufgebot hatten sich die Muslime der bisher im Nachbarbezirk Reinickendorf ansässigen Glaubensgemeinde auf ihrem vor einem Jahr gekauften Grundstück versammelt. Die Polizei war mit etwa 90 Einsatzkräften entlang der Tiniusstraße im Einsatz. Denn auf der einen Seite, hinter dem Blechzaun des Grundstückes, hatte die Ahmadiyya-Gemeinde eigens zwei Zelte aufgestellt. Eines, in dem der Kalif mit den Gläubigen der Gemeinde Verse aus dem Koran zelebrierte. In dem zweiten, etwas abseits aufgestellt, durften die Frauen getrennt von den Männern ihre Gebete abhalten.
Auf der anderen Seite des Blechzauns brachten etwa 70 Heinersdorfer Anrainer lautstark und mit Unterstützung einer Lautsprecheranlage ihren Protest zur "Landnahme" durch den Moscheeneubau in ihrem Kiez zum Ausdruck. "Ich habe nichts gegen diese Menschen", sagt eine Anwohnerin und ergänzt: "Doch warum bauen die Muslime eine Moschee in einem Kiez, in dem keine Muslime wohnen?"
Indes hatten Befürworter des Moscheebaus versucht, mit einem Transparent die angemeldete Gegendemonstration zu stören. "Um eine Konfrontation zu vermeiden, wurden die eher dem linken Spektrum zuzuordnenden Transparentträger des Platzes verwiesen", sagt ein Sprecher der Polizei.
"Ich spüre, dass in Heinersdorf immer mehr Bürger ein friedliches Nebeneinander mit der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde anstreben", sagt der Integrationsbeauftragte des Senates, Günter Piening. Daher sei er auch zuversichtlich, dass der umstrittene Neubau der Moschee ohne Polizeischutz stattfinden könnte.
Seit Bekanntwerden des Moscheeneubaus im Frühjahr vergangenen Jahres hatte es zahlreiche Proteste, Demonstrationen, Unterschriftensammlungen und Lichterketten von Anwohnern gegeben. Unterstützung fanden die Heinersdorfer beim CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, der erneut eine Prüfung der vom Bezirk erteilten Baugenehmigung verlangt. Indes hält der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Andreas Otto, die Baugenehmigung für korrekt.
"In diesem Jahr wird das Gesamtvorhaben nicht realisierbar sein", sagt Architekt Pakdel Alireza. Doch spätestens im zweiten Halbjahr 2008 soll dann das Gotteshaus für Jedermann offen sein. Insgesamt eine Million Euro werde in das Vorhaben investiert. Auf dem einstigen Grundstück einer Sauerkrautfabrik wird nach dem vom Bezirk genehmigten Bauantrag eine sich über zwei Geschosse erstreckende Moschee mit einer 4,5 Meter hohen Kuppel und einem zwölf Meter hohen Minarett gebaut.
Der Tagesspiegel, 03.01.2007
Islam probt Aufbau Ost
Ahmadiyya-Gemeinde legte Grundstein für Moschee in Heinersdorf
Vom Protest gegen den Bau der ersten Moschee im Ostteil der Stadt ist am Tag der Grundsteinlegung nicht mehr geblieben als ein Häuflein Demonstranten. Unter Regenschirmen und mit Deutschlandfahne waren sie am Dienstag in der Tiniusstraße im Pankower Ortsteil Heinersdorf zusammengekommen, um ihrer fortdauernden Ablehnung des Neubaus Ausdruck zu verleihen. Beim Gebet nach der Grundsteinlegung wurde es sogar still in der Umgebung des Baugrundstückes. Noch kurz zuvor schallte es über den Platz „Keine Moschee, keine Moschee“. Dabei handelte es sich jedoch um Tonbandaufnahmen von einer Demonstration im Herbst, als 1500 protestierende Menschen, unter ihnen auch viele NPD-Anhänger, durch Heinersdorf gezogen waren. Gestern reichte die Zahl der Demonstranten für einen hörbaren Protest nicht aus. Außerdem gewährleisteten 100 Polizisten und zahlreiche Ordner der Gemeinde selbst einen ungestörten Verlauf.
Die Ahmadiyya-Gemeinde, die nur wenige Tage nach Erhalt der Baugenehmigung den Grundstein gelegt hat, will noch in diesem Jahr in das rund 500 Quadratmeter große und zweistöckige Gebäude mit einer viereinhalb Meter hohen Kuppel und einem zwölf Meter hohen Minarett einziehen. 250 Betende sollen hier Platz finden, Männer, Frauen und Kinder erhalten separate Räume. Außerdem entstehen Wohnräume für den Imam und den Hausmeister und ein öffentlich zugänglicher Spielplatz. Zur Grundsteinlegung waren rund 500 Ahmadiyya-Anhänger und das Oberhaupt der Religionsgruppe Hazrat Mirza Masroor Ahmad aus London gekommen. Mit dem hohen Tempo haben die Ahmadiyya-Muslime die starke Bürgerbewegung gegen die Moschee offenbar überrascht. Erst am Neujahrstag waren auf dem Grundstück in der Nähe des Autobahnzubringers A 114 zum Dreieck Pankow mehrere Zelte aufgestellt worden. Lautsprecher übertrugen die von Männern vorgetragenen Koranverse und Reden in das Frauenzelt. Erst bei der eigentlichen Grundsteinlegung kamen beide Geschlechter wieder zusammen. Der Entwurf für die erste Moschee Ostdeutschlands stammt von einem weiblichen Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde. Das Oberhaupt Hazrat Mirza Masroor Ahmad glaubt nach eigenen Worten nicht an eine weitere Zuspitzung des Konflikts in Heinersdorf. „Unsere Liebe und unsere Beharrlichkeit wird die Gegner überzeugen“, sagte er. Unterstützung erhielt er vom ehemaligen Reinickendorfer Bezirksbürgermeister und SPD-Bundestagsabgeordneten Detlef Dzembritzki. „Seit Jahren pflegt die Gemeinde in Reinickendorf eine gute Nachbarschaft und begegnet den Menschen mit einer herzlichen Freundschaft“, sagte Dzembritzki, der dem Bezirksamt Pankow für seinen „aufrechten Gang“ bei der Erteilung der Baugenehmigung dankte. Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) sprach von der Hoffnung auf Toleranz und Verständigung. Köhne betonte, die Ahmadiyya-Gemeinde sei weder kriminell noch verfassungsfeindlich und er sei froh, „dass sie sich nicht durch die im Kern fremdenfeindlichen Proteste von ihrem Bauvorhaben hat abbringen lassen“. Vertreter der Bürgerinitiative gegen den Moscheebau kündigten gestern juristische Schritte gegen das Vorhaben an. Für einen Erfolg sah Bürgermeister Köhne aber wenig Chancen. Alle Details seien vorher umfassend geprüft worden. Schon in Kürze sollen sich die Kräne drehen. „Wir starten noch heute eine Ausschreibung“, sagte der Deutschlandvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagshauser. „Wir wollen die Bauaufträge möglichst an ostdeutsche Firmen vergeben.“ Den Befürchtungen, es könne durch Moscheebesucher ein Verkehrschaos in der kleinen Tiniusstraße geben, trat er entgegen. „Nur zweimal im Jahr werden sich hier 250 Menschen versammeln. Nicht einmal zu den Freitagsgebeten wird es hier voll werden“, versicherte er. Claus-Dieter Steyer
Berliner Zeitung, 03.01.2007
Muslime bauen unter Polizeischutz
Ahmadiyya Gemeinde legt den Grundstein für die erste Moschee im Ostteil der Stadt
Lutz Schnedelbach und Stefan Strauss
Polizisten vorm Bauzaun, patrouillierende Streifen zwischen Betonmischer und Baugerüst. So könnte es aussehen, wenn eintritt, was der Imam der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, Abdul Basit Tariq, befürchtet - dass nämlich der Moscheebau im Pankower Ortsteil Heinersdorf gestört wird. Gestern ist - von Zwischenrufen aufgebrachter Anwohner und Moschee-Gegner begleitet - der Grundstein für das umstrittene Projekt gelegt worden. "Es kann alles passieren", fürchtet nun der Imam, nachdem es schon Drohungen und Demos mit NPD-Beteiligung gab. "Wir haben ein Recht darauf, unsere Baustelle zu schützen, notfalls auch mit Polizei." Zunächst einmal werden Mitglieder der Ahmadiyya Gemeinde nach dem Baubeginn im Februar das Gelände kontrollieren.
Gleichzeitig wird sich die Polizei mit dem Moscheebau beschäftigen. "Vor dem Hintergrund der öffentlichen Auseinandersetzung werden wir die Lageentwicklung im Auge behalten und das tun, was erforderlich ist", sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern der Berliner Zeitung. Bisher habe die Polizei zwar keine Hinweise auf eine Gefährdung des Baus, aber ähnlich wie bei der Aufführung der Mozart-Oper Idomeneo in der Deutschen Oper wird vom Staatsschutz eine Gefährdungsanalyse erstellt. Danach wird entschieden, wie der Bau zu schützen ist - durch verstärkte Streifenfahrten oder aber durch eine Bewachung rund um die Uhr, wie zum Beispiel beim Bau der Bundestagsgebäude sowie beim Bau des Amtsgerichts an der Wilsnacker Straße.
Die Ahmadiyya Gemeinde und auch viele Politiker hoffen aber, dass es nicht so weit kommen wird. "Sehr häufig werden kurz nach der Errichtung einer Moschee frühere Gegner zu Freunden der Ahmadis. Wir hoffen sehr, dass dies auch nach dem Bau dieser Moschee der Fall sein wird", sagte der Vorsitzende der Ahmadiyya-Muslim Gemeinde in Deutschland, Abdullah Uwe Wagishauser. Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) wünscht sich ein "normales Miteinander". Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats, sagte, es gebe in Heinersdorf "eine wachsende Zahl von Leuten, die zu der Entscheidung gekommen sind, den Bau der Moschee zu akzeptieren".
Auf die Mitglieder der Bürgerinitiative trifft diese Einschätzung allerdings ganz und gar nicht zu. "Wir gehen jetzt juristisch gegen den Bau vor", sagte Vorsitzender Joachim Swietlik. Der Protest werde auf "allen Ebenen fortgesetzt". Ein Moschee-Gegner sagte, die Pankower Politiker und der Senat hätten sich mit der Baugenehmigung "arrogant über den Willen der Bevölkerung hinweggesetzt". "Das war schon zu DDR-Zeiten so!"
Die Proteste waren gestern bei der Grundsteinlegung auf dem 4 000 Quadratmeter großen ehemaligen Industriegelände an der Tiniusstraße nicht zu überhören: Als das weltweite Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, Hadrat Mirza Masroor Ahmad aus London, redete, waren die Rufe "Nein zur Moschee in Pankow!" aus Lautsprechern deutlich zu hören. Die Polizei forderte die Demonstranten auf, die Verstärker leiser zu stellen, denn die 500 Gäste fühlten sich gestört.
Etwa 150 Anwohner hatten sich auf einem Nachbargrundstück versammelt, um zu protestieren. 90 Polizisten waren im Einsatz, ein Sprecher schätzte die Atmosphäre unter den Moschee-Gegnern als "friedlich, aber stimmungsgeladen" ein. Mitglieder der Ahmadiyya Gemeinde bewachten das Gelände.
Frankfurter Rundschau, 03.01.2007
Muslime kehren in Oberursel 30 Säcke Silvestermüll weg
Während die anderen noch schlafen, dankt die Ahmadiyya-Gemeinde mit Schippe und Besen für Hilfe bei Festen und Ausstellungen
Unbemerkt und leise wie die Heinzelmännchen sind am Neujahrsmorgen in aller Herrgottsfrühe Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde durch Oberursels Straßen gezogen und haben die Überreste der Silvesternacht zusammengekehrt.
Oberursel - Es ist 9 Uhr früh, das neue Jahr erst wenige Stunden alt. Die Stadt schläft noch. Die Straßen sind menschenleer, keine Autos unterwegs. Nur am Homm-Kreisel, im Holzweg und in der Vorstadt trifft man auf Leute mit Müllsäcken und Besen in den Händen. Rund 30 pakistanische Männer kehren Böllerreste, Raketenstäbe, Glasscherben und achtlos weggeworfene Flaschen zusammen. Müll, wie er in jeder Silvesternacht überall in Deutschland tonnenweise anfällt. "Wir sind froh, dass wir etwas für unsere Stadt tun können", sagt Zafar Noor, Vorsitzender der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde Oberursel. "Hilfsbereitschaft gehört zu unserer Philosophie. Dass wir heute die Stadt reinigen, ist ein Zeichen der Liebe für das Land, für die Stadt, in der wir leben."
Ein Zeichen der Freundschaft
Seit 16 Jahren schon reinigen die Männer der Ahmadiyya-Gemeinde an Neujahr ihre Stadt. Sie stammen aus Pakistan, leben aber schon seit vielen Jahren in Oberursel. Auch für sie ist der Neujahrstag ein Feiertag. Begonnen haben sie ihn um 6 Uhr in ihrem Gebetshaus in der Dornbachstraße mit einer gemeinsamen Andacht und anschließendem Frühstück. Danach haben sie sich mit Besen, Handfegern und Müllsäcken ausgestattet, in Mäntel, Schals und Mützen gehüllt - ein heftiger Wind pfeift durch die Straßen - und sind zu den bekannten Treffpunkten gezogen, wo sich Jahr für Jahr der meiste Silvestermüll ansammelt. "Das ist unsere Art, das neue Jahr zu feiern", sagt Muzaffar Rashid. Ein Symbol der Integration und Freundschaft soll es sein. Und eine große Portion Dankbarkeit ist mit dabei. "Wir sind froh, dass wir etwas für die Stadt tun können. Denn wir bekommen immer Hilfe, sei es bei Ausstellungen, Festen oder anderen Veranstaltungen unserer Gemeinde", so Rashid. "Waqar-e-Amal" heißt die Maxime der Ahmadiyya-Gemeinde. Das bedeutet soviel wie ehrenvolle Arbeit. "... sich selbst und anderen ohne Gegenleistung mit eigener Hand helfen", steht in einem Brief, den die Gemeinde anlässlich der Säuberungsaktion verfasst hat. "Dieser Grundsatz hat einen philosophischen Hintergrund mit dem Ziel, die Barrieren sozialer Unterschiede zu brechen und so einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung zu leisten", heißt es darin weiter.
Gesäubert wird in über 200 Städten
Angefangen hat die deutsche Neujahrsaktion vor einigen Jahren zunächst im kleinen Rahmen. Inzwischen wird in fast allen 234 deutschen Ahmadiyya-Gemeinden am Neujahrstag unter dem Motto "Liebe für alle - Hass für keinen" zu Besen und Schippe gegriffen. Mit dabei ist immer die Jugendorganisation "Majlis Khuddam-ul-Ahmadiyya", um die Jugend zu Integration und Hilfbereitschaft zu erziehen. Auch in Oberursel kommen die 16- bis 17-Jährigen zu Hilfe, wenn auch erst gegen halb zehn. Denn auch sie haben bis spät in die Nacht gefeiert. Als die Oberurseler irgendwann in den späteren Stunden aufstehen, stehen 30 volle Müllsäcke mit ihrem Müll am Straßenrand.
Cornelia Färber
taz Berlin, 03.01.2007
Lernt von den Muslimen
Vor nicht einmal einem Jahr hat die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde ihren Antrag zum Bau einer Moschee in Pankow-Heinersdorf eingereicht. Vor zehn Tagen hat das zuständige Bezirksamt die Baugenehmigung erteilt. Gestern war die Grundsteinlegung. Was bei den Behörden angesichts von Bürgerprotesten häufig zu langjährigen Verwaltungsakten auszuufern droht, wurde für deutsche Verhältnisse in Rekordzeit abgenickt. Das Pankower Bezirksamt hat ein deutliches Signal gesetzt - und damit exzellente Arbeit geleistet.
Denn im Protest gegen den Moscheebau hat der Heinersdorfer Bürgermob ausgerechnet eine der besonders friedliebenden muslimischen Gemeinden auf dem Kieker. Abgesehen davon, dass in einer Demokratie jede Glaubensgemeinschaft das Recht auf ihre Ausübung hat, solange sie nicht andere schädigt, greifen die Gegner eine Gemeinde an, die eigentlich eine kulturelle Aufwertung in der bornierten Nachbarschaft darstellt.
Zwar stimmt die Ahmadiyya mit dem Islam darin überein, dass der Koran das Wort Gottes ist. Die Ahmadis betonen jedoch, dass jedes neue Zeitalter neue Herausforderungen mit sich bringt. Daher müsse die Religion ständig reformiert werden. Dazu gehört, dass der Kritik gegen den Islam nur mit Worten begegnet werden darf. Sie verurteilen jeglichen Gebrauch von Gewalt. Für sie ist der Dschihad eine moralische Anstrengung, sich selbst zu verbessern.
Und die Glaubensgemeinschaft geht noch weiter. Für sie verlangt der Islam nachdrücklich den Gebrauch der Vernunft - auch in religiösen Fragen. Blinden Gehorsam gegenüber religiösen Führern lehnt sie ab. Ihre Religionspraxis ist damit nicht nur dem orthodoxen Islam um Meilensteine voraus, sondern auch Teilen des Christentums. Und die Moscheegegner sollten sich davon ein besonders großes Stück abschneiden. Kommentar von FELIX LEE
ZEIT online, Tagesspiegel, 02.01.2007
Heinersdorf: Grundstein für erste Moschee im Osten gelegt
Begleitet von lautstarken Protesten ist in Berlin-Heinersdorf der Grundstein für den ersten Moscheeneubau im Ostteil der Stadt gelegt worden. Rund 100 Menschen demonstrierten gegen die Zeremonie.
Berlin - Vertreter der Ahmadiyya Muslim Gemeinde und der Stadt Berlin schichteten am Mittag auf dem Baugrundstück in der Tiniusstraße mehrere Backsteine übereinander. Zu Beginn der Zeremonie wurden Verse aus dem Koran rezitiert.
An der Zeremonie nahmen unter anderem der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening, der Bundestagsabgeordnete Detlef Dzembritzki (SPD) sowie Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) teil. "Dieser erste Moscheebau in Ostberlin zeigt, dass die muslimischen Gemeinden endlich aus ihren Hinterhöfen herausgehen", sagte Piening, der den Bau begrüßte.
"Auf Widerstand mit Liebe reagieren"
Zu der Gegenkundgebung hatte die Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (IPAHB) aufgerufen, die mit Reden und Buh-Rufen lautstark gegen den Moscheebau demonstrierte. Vertreter der Initiative "Heinersdorf, öffne dich" hingegen protestierten gegen die Demonstration der Interessengemeinschaft. Die Initiative "Heinersdorf-öffne-dich" verurteilt alle Aufrufe gegen den Moscheebau der Ahmadiyya-Gemeinde in Pankow-Heinersdorf, deren Inhalt gegen den Geist der Toleranz und der Würde aller Menschen gerichtet ist. Die Polizei war mit rund 90 Beamten im Einsatz.
Der Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad, das geistliche Oberhaupt der Ahmadiyya Gemeinde aus London, sagte bei der Grundsteinlegung, dass auf den Widerstand gegen den Bau mit Liebe und Zuneigung reagiert werden müsse. Nur so könne man diese Leute als Freunde gewinnen. Der SPD-Abgeordnete Dzembritzki betonte, die Ahmadiyya Muslim Gemeinde sei eine offene Gemeinde, die nur als Vorbild bezeichnet werden könne. Die Zeit des Gegeneinander müsse jetzt überwunden werden, führte Köhne an.
Fertigstellung Anfang 2008 geplant
Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde, die nach eigenen Angaben weltweit mehrere Millionen Mitglieder hat, will in Heinersdorf eine zweistöckige Moschee mit einem zwölf Meter hohen Minarett für rund 250 Betende errichten. Männer und Frauen werden getrennt voneinander beten. Eine entsprechende Baugenehmigung hatte das Bezirksamt Pankow Ende Dezember vergangenen Jahres erteilt. Die IPAHB, die auch von den Pankower Christdemokraten und dem CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, unterstützt wird, hatte mehrfach Demonstrationen gegen das Bauvorhaben veranstaltet. Zwei Anträge für Bürgerbegehren gegen den Moscheeneubau wurden als unzulässig abgelehnt.
Das muslimische Gotteshaus soll zu Beginn des Jahres 2008 fertig gestellt sein und nach der ersten Ehefrau des Propheten Mohammed "Khadidja-Moschee" benannt werden. Die Gegner befürchten, dass von dem Bau Aktivitäten von radikalen Kräften ausgehen könnten. Der Berliner Verfassungsschutz sieht hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. (Von Nadine Schimroszik und Mirko Hertrich, ddp)
Bezirksamt Berlin-Pankow, 02.01.2007
Rede vom Bezirksbürgermeister Matthias Köhne zur Grundsteinlegung für den Moscheebau in Heinersdorf
Anlässlich der Grundsteinlegung für den Moscheebau in Pankow-Heinersdorf am 2. Januar 2007 erklärte der Bezirksbürgermeister Matthias Köhne: „Sehr geehrte Damen und Herren, das Vorhaben, an dieser Stelle eine Moschee zu bauen, hat in den letzten Monaten in unserem Bezirk und weit darüber hinaus für viel Aufmerksamkeit und viel Aufregung gesorgt. Nicht nur viele Menschen in Heinersdorf, sondern auch in anderen Teilen unseres Bezirkes waren und sind besorgt. Ihre Besorgnis äußert sich in der Ablehnung der Moschee, deren Grundstein wir heute legen. Wer täglich in der Tagesschau die oberflächlichen Meldungen über religiöse Konflikte und Terror in der Welt verfolgt, und dann erfährt, dass in seiner Nachbarschaft eine Moschee gebaut werden soll, kann zu schnell zu dem Kurzschluss kommen, dass gewalttätige Auseinandersetzungen demnächst vor seiner Haustür eskalieren oder dort eine „Brutstätte des Fundamentalismus“ geschaffen wird. Notwendige Differenzierungen finden nicht mehr statt, wenn die Atmosphäre vergiftet wurde. Dies geschah leider seit dem März des vergangenen Jahres. Die Aufgabe aller demokratischer Parteien und der demokratischen Öffentlichkeit wäre es gewesen, dazu beizutragen den Konflikt zu lösen, statt ihn anzuheizen und zu instrumentalisieren. Dass es sich bei der Religionsgemeinschaft, die die Moschee bauen will, um eine in Deutschland lange Jahre ansässige Gemeinde handelt, die bisher keinen Anlass lieferte als gewaltbereit, militant, kriminell oder verfassungsfeindlich eingestuft zu werden, interessiert die Gegnerinnen und Gegner der Moschee leider nicht. Ich gebe zu, dass auch mir einige Auffassungen der Ahmadiyya etwas suspekt und voraufklärerisch vorkommen – ich denke an die Trennung von Frauen und Männern oder an die von Ihnen geübte Kritik der Mozartoper „Idomeneo“. Trotzdem bin ich froh und ich danke der Ahmadiyya-Gemeinde, dass sie sich nicht durch die im Kern fremdenfeindlichen Proteste von ihrem Bauvorhaben hat abbringen lassen. Wenn die Moschee fertig ist und sie auch als offene Begegnungsstätte genutzt wird, werden die Menschen in Heinersdorf ihre Besorgnis verlieren können. Ich wünsche mir, dass die Ahmadiyya-Gemeinde und die Heinersdorferinnen und Heinersdorf schnell die Zeit des Gegeneinander überwinden, während der Bauzeit ein geregeltes Nebeneinander finden, und dann schnellst möglich in ein normales Miteinander übergehen. Dazu bedarf es von beiden Seiten Toleranz und Vertrauen. Vertrauen muss aber aufgebaut werden. Dies ist in der vergifteten Atmosphäre, in der wir uns leider befinden nicht ganz einfach. Vorurteile müssen durch tatsächliches Handeln und nicht durch Ankündigungen abgebaut werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Moschee in Heinersdorf als Bereicherung und nicht als Gefahr wahrgenommen werden kann. Das Bezirksamt unterstützt alle dialogbereiten Initiativen, die ein friedliches und aufgeschlossenes Miteinander zum Ziel haben. Ich hoffe, dass die Bauarbeiten planmäßig und ohne Anfeindungen zügig vorangehen und abgeschlossen werden, so dass wir schon bald die Eröffnung der Moschee gemeinsam feiern können."